laut.de-Kritik
Zwischen Dystopie und Rave-Exzess.
Review von Jan HassenpflugMit Alien wagten sich Northlane bereits weit in dystopische Gefilde vor und erschufen mit Dark Wave-Elementen eine bedrohliche Kulisse. Daran knüpft "Obsidian" nun nahtlos an. Die Verbindung von düsteren Techno-Samples, sphärischer Melodie und wüstem Metalcore hat ein neues Selbstverständnis erreicht.
So gelingt es den Australiern, ganz unterschiedliche Facetten abzudecken bzw. zu betonen. Dass viele Tracks die wilde Mischung gar in sich vereinen, garantiert eine gewisse Unberechenbarkeit. "Clarity" beginnt Techno-lastig, setzt auf Beats statt Livedrums, kriegt dann aber doch die Kurve zur aggressiven Attitüde. Immer wieder verbinden maximal verzerrte Bassläufe beide Spielarten miteinander.
Demgegenüber stehen sehr melodisch gehaltene Hits. Weniger sperrig, besser auszurechnen und damit prädestiniert für den leichten Hörgenuss. "Echo Chamber", "Inamorata" oder "Plenty" leben von dieser DNA. Dabei ist Marcus Bridges weicher Klargesang die leuchtende Konstante in der Dunkelheit. Bis auf einige fette Riffs hat das mit Metalcore gar nicht mehr allzu viel zu tun, passt aber trotzdem.
Natürlich nähren solche Nummern den Vorwurf, man habe an Härte eingebüßt und die eignen Roots aus den Augen verloren. Um dem erst gar keinen Raum zu geben, schickt die Truppe gleich mehrere Gegenentwürfe ins Rennen. Mit einem organischeren Sound ausgestattet, erinnert das großartige "Xen" an eine ältere Version der Band. Brutale Shouts rütteln sowohl beim Titeltrack als auch "Carbonized" wach.
Kleinster gemeinsamer Nenner bleibt das unheilvolle Stimmungsbild. Zwischenzeitlich fühle ich mich in eine hochtechnisierte Welt versetzt, deren Gesellschaftsstruktur jedes selbstbestimmte Leben im Keim erstickt: "We radiate human decay, lost within the lines we've drawn." Mit Zeilen wie diesen und einer effektgetränkten Soundwand zeichnen Northlane eine pechschwarze Zukunftsvision. Angesichts aktueller weltpolitischer Entwicklungen trifft das den Zeitgeist mehr denn je.
Innerhalb dieses Gesamtkonzepts tanzt gleichwohl ein Track aus der Reihe. "Nova" vermittelt Zuversicht, wirkt in all seiner Zurückhaltung anmutig, fast schon paradiesisch inmitten aller Aussichtslosigkeit. In seiner Machart hätte der poppige Exkurs wohl auch auf einer der neueren Linkin Park-Alben Platz gefunden. Ein willkommener Hoffnungsschimmer auf jeden Fall. Abwechslung bleibt überhaupt die Stärke der Platte.
Dagegen wird der überbordende Einsatz von elektronischen Elementen mitunter zum Problem. Als reinste Rave-Exzesse wirken "Is This A Test?", "Cypher" oder "Abomination" eher unangenehm . Hier noch ein wummerndes Interlude, da noch ein einminütiges Sample zum Ausklang. Manchmal ist es schlicht zu viel an sphärischem Füllmaterial.
Northlane führen unbeirrt fort, was sie drei Jahre zuvor anzettelten: Offen in alle Richtungen, experimentell und progressiv. Mutig ist das allemal, denn so einige Metalcore-Fans dürfte dieser Crossover endgültig überfordern.
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