laut.de-Kritik
Raubtier-Hip Hop mit beeindruckendem Silbenverbrauch.
Review von Miriam WolffEin kleines Streichorchester und eine sonore, lässige, dunkel gefärbte Stimme, die versucht, ein bisschen nach ernstzunehmender Klassik zu klingen, wanken bedeutungsschwanger durch mein Zimmer. Eine beeindruckend schöne Melodie für eine Nationalhymne, aber irgendjemand hat sich bestimmt beim CD-in-die-Hülle-stecken vergriffen. "Sonate Pour Un Petit Soundboy", lustiger Titel.
Einen im ersten Track perfide zu täuschen, ist auch eine Möglichkeit, den zweiten Track fett zu kriegen. Obwohl er das nicht etwa nötig hätte: Ein schicker Hip Hop-Beat, klapfende Rhimshot und das leicht alberne Wort "haine", sozusagen das Hookwort. Böseböse kommt das, wenn man es so raubtier-mäßig ausspricht, und es mit aller Gewalt auf die Eins pflanzt. Zumindest entschließt sich mein Kopf daraufhin, zu nicken. Diese Nummern zwischen Hip Hop und Raga sind oft mehr, im Falle von "Chacun Sa Verité" auch mal weniger spannend, grooven aber immer. Stellenweise macht der Sound einen leicht synthetischen Eindruck, was ziemlich unverständlich ist, so warm und sympatisch wie einen der größere Teil der Platte umfängt.
Dann gibt es eben noch die anderen, die zwischen Melancholie und purer Freude befindlichen "Am-Strand-rumroll"-Songs. Schlecht sind die nicht. "Trop Peu de Temps" ist ein feines Beispiel, auch für die über die Platte verstreuten Reggae-Rhythmen. Zunächst simpel, mit seinem unaufdringlichen, unausgebildeten, doch durchweg ordentlichen Gesang und einer einzigen Mollwendung, erhebt sich der Song über den üblichen 0815-Standartchanges-Schrott. Die Geigen kommen wieder zum Vorschein und auch den Einsatz harmonieschaffender Chöre von viel zu vielen Frauen betreibt Nuttea manchmal.
Nun, nicht alles ist Gold, und einige Strecken wollen nicht so schnell vorbeigehen - bei 16 Tracks geht das allerdings schon völlig ok. Dafür kriegt man schließlich Überraschungen wie den Anfang oder "Oh Mama" geboten. Letzteres besteht aus nichts als Getrommel, Bläsern und Afrikachören, warm und schön. Auch "Millenaire" gibt Sympathiepunkte, interessante Stimmen vor den Mics, die die unterschiedlichsten Sprech- und Singfetzen ablassen, eine soulvolle Frau ist dabei, der Beat ist schlicht aber so funky, dass er auf einer Party bestimmt eine Stunde rund laufen könnte, ohne dass es einer merken würde.
Die Mischung von Nuttea liegt irgendwo zwischen nicht gerade gepflegtem, aber vielleicht gerade deswegen sympathischen Hip Hop-Singsang und raga-typischen Toasten. Zwischen Franzosengebabbel und der Seeed-Schiene. Streckenweise nimmt sein Silbenverbrauch durchaus beeindruckende Ausmaße an. Die Familienalbum-Fotos im Booklet sind allesamt der Inbegriff der Schnuckigkeit - live kann er auch, wie er auf einem Track des Albums bewiesen hat. Damit ist Nuttea einer von den Franzosen, die die Welt durchaus gebrauchen kann.
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