laut.de-Kritik

Die DIY-Iren lassen Genre-Grenzen schmelzen.

Review von

Nach ihrem Debüt standen O Emperor vor einem Haufen Trümmern. In diesem Fall geht es mal nicht um Drogenabstürze oder zwischenmenschliche Tragödien, sondern tatsächlich um einen Berg Schutt und Asche: Ihr selbst aufgebautes Studio brannte komplett nieder. Andere hätten aufgegeben, die Iren fingen einfach von vorne an. Nach dem Wiederaufbau und der Gründung ihres eigenen Labels Big Skin Records veröffentlichen sie ihren Zweitling "Vitreous".

Dass O Emperor nicht nur ihre Räumlichkeiten rundum erneuert haben, fällt auf: "Hither Thither", einem ebenso ausgefeilten wie vielseitigen Folk-Album, gönnten sie seiner Zeit eine knappe Stunde, in der sich 13 Songs entfalten durften. "Vitreous" wirkt im Vergleich zurecht gestutzt: Neun Stücke in einer halben Stunde, da kann die Liebe zum Detail schnell verloren gehen.

Die vormals perfektionistischem Arrangements weichen dem Wagemut, mit neuen Genres zu experimentieren. New Folker wie die Fleet Foxes oder Mumford & Sons lauern zwar in jeder Ecke. Doch immer wieder tragen O Emperor neue Schichten auf oder durchbrechen schlicht alle Grenzen. Ein dreckiges Britrock-Brett wie die Single "Contact" hätte sonst auf dem Album nämlich nichts verloren.

"Vitreous" verkommt trotzdem nicht zu einem undefinierbaren Brei aus Ideen und musikalischen Einflüssen. Jeden Song haben die Musiker mit Bedacht positioniert. "Grandmother Mountain" eröffnet die Platte. Den Schlaf noch in den Augen, erwacht das Stück erst langsam mit etwas Piano, bevor sie am Ende richtig in die Tasten hauen.

Bevor Analogien zu "Sun It Rises", dem Opener des Fleet Foxes-Debüts, zu offensichtlich werden, nehmen O Emperor ihre Hörer mit auf einen psychedelischen Trip: "Holy Fool" klingt eher, als hätten sie einen Beatles-Song von "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" neu produziert.

Etwas irritiert stoppt man bei "Brainchild". Das Stück ist so cheesy geraten, dass es bei einem Abschlussball in den 80ern nicht weiter aufgefallen wäre. Gerade, wenn es einem zu viel wird, endet es wunderbar verzerrt und plötzlich knallt oben erwähntes "Contact" los.

Wie präzise, aber trotzdem pompös O Emperor arrangieren, belegt "Minuet". Der Name diktiert die Form, im 3/4 Takt tanzen Streicher und Chor zum Piano. Man erinnert sich an die Glanzzeiten von Bright Eyes: "False Advertising" bediente sich eines klassischen Walzertakts auf einer Platte, die wie "Vitreous" Ausbrüche und Ruhephasen hatte.

An dieser Stelle muss man festhalten, dass das Quintett weit weniger bedeutungsschwangere Botschaften überbringt als etwa ein Conor Oberst in solchen Momenten. "I Can Smell The Shit In The City Air" bringt im Opener zum Beispiel eine Verdrossenheit mit dem Stadtleben recht deutlich auf den Punkt - ohne Meta-Ebene. Vielleicht sind die geradlinigen Lyrics ein Überbleibsel der spartanischen Ausstattung nach dem Brand.

Zu bemängeln gibt es wenig. Natürlich machen die Iren nichts Neues. Gelegentlich tragen sie zu dick auf, verfallen in Kitsch ("Land Of The Living"). Aber selten bringt eine Band ihre verschiedenen Vorlieben so gezielt auf den Punkt. Wenn sie am Ende traurig "This Is It" singen, bemerkt man verwundert, dass die halbe Stunde tatsächlich schon vorbei ist.

Trackliste

  1. 1. Grandmother Mountain
  2. 2. Holy Fool
  3. 3. Whitener (Part 1)
  4. 4. Brainchild
  5. 5. Contact
  6. 6. Minuet
  7. 7. Land of the Living
  8. 8. Soft in the Head
  9. 9. This Is It

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