laut.de-Kritik

Der Nigerianer ist impulsiv, intuitiv und versprüht rohe Energie.

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Es ist fast schon beneidenswert, mit welcher ehrfürchtigen Faszination Obongjayar Track für Track Beschreibungen sucht, um das Mysterium zu umreißen, das er selbst ist. Er ist ein Killer, ein Animal, ein Hustler, ein Wagwan, Bad Boy, Bad Man, Cowboy, Superhuman, Supernova, ... ihr hört den Grundtenor raus. Obongjayar findet sich selbst so richtig, richtig geil, und die Welt soll mithören. Kein Satz ohne "me" oder "I". Gott sei Dank nicht ganz zu Unrecht. Die unapologetische Eigeninszenierung reißt mit und macht richtig Spaß, und auch abseits davon hat "Paradise Now" musikalisch einiges zu bieten.

Über mal funkige, mal soulvolle Afrobeats hüpft und gleitet der in London ansässige Nigerianer mit seiner elastischen Stimme und einer Attitüde, als wäre er Gottes persönliches Geschenk an diese Erde. Dabei ist es aber schwer, "Paradise Now" mit einem Genre zu labeln. Einzige Konstante in den bunten, vielseitigen Songs sind die mehreren Schichten von tribalem Getrommel und energetischen Percussions. Darauf aufbauend kann alles passieren.

Obongjayar ist impulsiv, intuitiv und versprüht rohe Energie. Seine Stimme ist facettenreich, von butterweichem und feinfühligem R'n'B-Gesang hin zu abgehacktem, kratzigem Rap. Seinen breiten, nigerianisch-britischen Akzent stellt er stolz zur Schau, statt ihn, wie noch bei seinen musikalischen Anfängen, mit amerikanisch zu kaschieren. Er dreht und zieht die Wörter auf den Takt, wie es ihm so reinpasst.

Bevor die Selbstbeweihräucherungsparty richtig losgeht, startet das Album erst mit einigen langsameren, atmosphärischen, dennoch tanzbaren Tracks. Die sind allesamt stark, besonders "Holy Mountain" hat Radiohit-Potenzial. Obongjayar weiß, wie man eine Hook schreibt, die im Kopf bleibt. Oft singt er die, wie beim Opener "It's Time", in "tiptoe through the tulips"-artigem Falsett.

Dann schaltet "Jellyfish" drei Gänge hoch, und auch das folgende "Talk Olympics" ft. Little Simz bremst erstmal nicht. Über mehrere Layers Percussions gackert Obongjayar spöttisch seine überdrehte "talk talk talk talk talk"-Hook. In der Strophe macht er sich mit kultiviertem Wortsalat ("trending topic psychologist social media philanthropist political biologist talking talking talking rubbish") über intellektuelles Nichtstun lustig. Der absurd euphorische Song wirkt entweder wie pures Dopamin oder ist der Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen bringt.

Ob Schunkelballade ("Prayer", "Moon Eyes") oder Feuer ("Instant Animal") – auch der Mittelteil liefert ab. Leider hält "Paradise Now" die Hotstreak nicht bis zum Ende aufrecht. Auf den stabilen Drumgroove von "Born In This Body" legt Obongjayar eine ziemlich eklig-kitschige Akkordfolge, die repetitive "ask my mommy, I was born in this body"-Hook ist schade.

Auch schade, dass er dem funkigen "Just My Luck" keine seiner Ohrwurmhooks verpasst, da hätte er zum Ende noch mal ein richtiges Ausrufezeichen setzen können. Der abschließende Track ist auch eher nette Dreingabe.

Insgesamt präsentiert Obongjayar ein facettenreiches Album, bei dem trotz gelegentlicher lyrischer Tiefe vor allem zählt, wie etwas gesagt wird – und weniger, was. Mit den lebhaften Instrumentals nimmt er konsequent voll für sich ein.

Trackliste

  1. 1. It's Time
  2. 2. Life Ahead
  3. 3. Peace In Your Heart
  4. 4. Holy Mountain
  5. 5. Jellyfish
  6. 6. Talk Olympics
  7. 7. Prayer
  8. 8. Moon Eyes
  9. 9. Sweet Danger
  10. 10. Not In Surrender
  11. 11. Instant Animal
  12. 12. Strong Bone
  13. 13. Born In This Body
  14. 14. Just My Luck
  15. 15. Happy End

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