laut.de-Kritik
Emocore mit übersteuerten Ambitionen.
Review von LAUT-Redaktion"Independent" sein, heißt ja oftmals auch "Artist" zu sein. One Drop Does It scheinen genau diesen Anspruch jedoch allzu wörtlich zu nehmen. "Emo, Harcore, Metal, Punk" sind vier ihrer Beschreibungsschubladen, in die sie irgendwie und doch nicht passen wollen. Was als gitarrenschweres Potpourri nach Größen wie My Chemical Romance und Bullet for my Valentine klingt, konzentriert in der Tat zahlreiche Einflüsse. So klingt der Bandname dann aber schnell programmatisch: Ein Tropfen des Konzentrats und schon hat man genug.
Bereits zur Begrüßung "Idols or Enemies" erschallen fast barock komplexe Gitarre und zwischenzeitlich arienhafte Gesängen von Gitarrist Marius. Dies ist nun der Zeitpunkt, an dem einen One Drop Does It den Hörer in einen tiefen Zwiespalt von moshender Zuneigung und irritierter Abwendung stürzen. Genauso wie sie gegen Ende des Einstiegs fast schon provokativ oft die Tonart wechseln, drehen sie auch die Rhythmus-Tombola fleißig.
Drummer Jan Palkoska und die beiden Gitarrenbeauftragten Marius und Ruben bieten dem Hörer nämlich nur einen durchgehenden Stil: Unstetigkeit. Ständig werden ganz neue Saiten angeschlagen, die Takte hangeln sich durch einen dichten Urwald verschiedenster Rhythmen. Leider aber lauert der Haken an diesem Verständnis von Anspruch schon hinter der nächsten musikalischen Liane: Die ständige Änderung wirkt tatsächlich wie ausgelost. Nicht von der Melodie oder von der Struktur des jeweiligen Liedes ist sie motiviert, sondern reiner Selbstzweck.
So drängt sich bis zum Schlusstrack neun die Vermutung auf, One Drop Does It wollten ein kleines, postmodernes Kunstwerk von "Emo, Harcore, Metal, Punk" schaffen. "Musik für Musik", "spielen, damit gespielt ist" könnte als kleine Erklärungsplakette unter dem Gemälde hängen, das die Band mit "Your Rome Shall Burn" schafft. Aber die Hörbarkeit scheitert meist am Museums-Türsteher.
"Talent For Tragedy" steht dabei beispielhaft für das gesamte Album: In Einzelteilen machen die Herren ihre Arbeit sehr gut: Es gibt Besonderheiten wie einen von Klatschen unterlegten Mittelteil, einen netten Refrain und ein fast klassisches Metal-Gitarren-Solo. Aber insgesamt löst die Musik keine spontan begeisterten Massenbewegungen aus. Denn rhythmisches Mitmoshen muss intuitiv bleiben und sollte keiner Geistesanstrengung bedürfen, die der von Altgriechisch-Abituraufgaben gleichkommt. So bietet sich letztlich nur ein wahllos spastisches Zucken an, denn irgendeinen der gerade aktuellen Takte wird das schon treffen.
Und sollte sich man denn wirklich einmal hinsetzen und bewusst zuhören, so läuft man Gefahr, dennoch enttäuscht zu werden. Unter den tragenden Säulen aus künstlerisch komplexen, verschnörkelten Gitarren und Drums ist das eigentliche Inventar doch sehr gewöhnlich: "If This Is Your Way" lockt beispielsweise mit einschmeichelndem, mehrstimmigen Gitarrenintro und ebensolchem Gesang, an dem man sich festklammern möchte: "Verweile doch, du bist so schön".
Dann aber wechselt wieder der Rhythmus und fast klingen die westdeutschen Musiker wie beliebige us-amerikanische College-Jungs. Wenigstens macht der Text des Refrains etwas fiese Freude: "If this is your way / than this way sucks." Mit inflationären Double Bass (Punk) und Stakkato-Gitarren (Nu Metal) beweisen sie zwar außerdem, dass sie sich aus vielen Musiksparten zusammensetzen, aber halt auch, dass daraus nicht unbedingt etwas Neues, Besseres entstehen muss.
One Drop Does It verdienen die Attribute ihrer ungefähren Musikrichtung sehr wohl: laut, traurig und auf ihre Weise wild. Aber für ein kleines Schublädchen, in das man ihre Musik wenigstens kurzzeitig stecken könnte, wäre man ihnen doch sehr dankbar. Schubladenhören muss ja nicht immer eine aus Indiekreisen verbannenswerte Todsünde sein.
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