laut.de-Kritik
Motivationscoaching mit großen Slogans und wenig dahinter.
Review von Manuel BergerIm Markt ihrer japanischen Heimat haben One OK Rock längst alles erreicht. Spitzenpositionen in den Oricon-Charts sind seit Jahren abonniert. Kein Wunder, dass das Quartett sich seit einiger Zeit unverhohlen dem amerikanischen Markt anbiedert – sowohl in Ton als auch Bild. Für ihre letzten beiden Platten kollaborierten sie mit westlichen Musikern (u.a. Avril Lavigne), schnappten sich prominente Co-Songwriter (Goldfingers John Feldmann, Papa Roach-Producer RAS Furlong), verlegten die Schauplätze ihrer Musikvideos in die USA und machten klanglich eine ähnliche Entwicklung durch wie Linkin Park. Den Trend führen sie auf "Eye Of The Storm" konsequent weiter.
Repräsentativ dafür steht "In The Stars", wofür One OK Rock sich eine gewisse Kiiara als Duettpartnerin geschnappt haben. Deren Stimme kennt man spätestens seit Linkin Parks Megahit "Heavy". Jetzt hilft sie dabei, den Sound ebendieser Nummer mit Emilias "Big Big World" und freundlichem Dance Pop zu vereinen – wie gemacht für den Abspann von Hollywoods nächstem Teenie-Franchise. Gleiches gilt für die Außenseiter-Hymne "Stand Out Fit In".
Dem Alternative/Emo-Rock ihrer Anfangstage haben One OK Rock mittlerweile komplett den Rücken gekehrt. Der Vorgänger "Ambitions" verfügte immerhin noch über gitarrengetriebene Songs, inzwischen dient das Saiteninstrument bloß noch als Werkzeug für Details, einige Leads und hintergründige Ambient-Texturen. Ganz klar im Vordergrund stehen episch aufputschende Rhythmen. Das Ergebnis klingt ein wenig wie Justin Bieber oder One Direction auf Steroiden. Schon wenn die Band das Album mit dem Titelsong eröffnet, wähnt man sich in einer Werbung für Motivations-Coachings oder Adventure Sports. Seinen Höhepunkt erreicht dieser Sound in "Push Back" mit Mad Max-Drums, "We Will Rock You"-Claps, passenden Gangshouts, anfeuernden "Huh-huh"-Rufen und dramatisch aufgeplusterten Blockbuster-Soundwänden.
Passend dazu schreiben One OK Rock ihre Texte. Es wimmelt nur so vor Allgemeinplätzen à la "Don't be afraid to dive / Be afraid that you didn't try". Denn auch wenn das Leben "not easy" ist und Sänger Taka deshalb in "Head High" viel seufzen muss, sind One OK Rock eben stets bereit "to break the chains", sind "not afraid to fly" und bemühen sich, allzeit Kopf hochzuhalten. Dass mit dieser Attitüde wirklich nichts mehr unmöglich ist, besingen sie im nächsten Song: Gleichzeitig alt werden und jung sterben? Laut "Grow Old Die Young" kein Problem für One OK Rock. Favorisierte Todesursache übrigens: "amazing sex".
One OK Rock haben ein ziemlich großes Problem, Substanz in ihre Songs zu bringen. Sie reihen endlos Slogans aneinander und und wiederholen diese im engen Dreiminuten-Zeitfenster so häufig wie nur irgend möglich, statt dem Klimax auch einen echten Spannungsbogen zu spendieren. Das befriedigt auf Dauer nämlich kein bisschen. Wie man das zumindest musikalisch besser macht, zeigte vor zwei Jahren Newcomer Zayde Wølf, der auf seinem "Golden Age" zwar die gleiche Motivation Speech-Schiene fährt, aber sie in aufregendere Songstrukturen verpackt.
Immerhin ist "Eye Of The Storm" gut produziert. Wie donnernde Trommeln, Soundtrack-Bombast und Hooks im Fußballstadion-Format hier ineinander greifen, strotzt vor Kraft, gar keine Frage. Doch um die Oberflächlichkeit des Albums zu kaschieren, reicht auch diese Kraftmeierei nicht aus – sie bestätigt sie eher noch. One OK Rock erreichen anno 2019 mehr Tiefe in ihrem Jackson Pollock-artigen Cover-Artwork als in ihren Songs.
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