laut.de-Kritik
Neue Musik zur Kino-Fanartikel-Lawine "Die Eiskönigin II".
Review von Gil BielerMan hat es nach sechs Jahren Dauerbombardement glatt vergessen, aber: Bevor "Frozen" zu einer sich verselbstständigenden Fanartikel-Lawine wurde, war es ein recht gelungener Disney-Film. Auch wenn ihm natürlich damals schon die Intention inne wohnte, eben jene lukrative Lawine loszutreten. Film und Musik waren ein Riesenerfolg: Der Soundtrack heimste in diversen Ländern Gold- und Platinauszeichnungen ein und sogar den Oscar für den besten Song ("Let It Go").
Die Messlatte für die Fortsetzung "Frozen II" liegt also hoch. Folgerichtig engagierte der Filmgigant neben denselben Schauspielern äh, Synchronstimmen mit dem Ehepaar Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez abermals Broadway-erprobte Songwriter, die zwischenzeitlich mit "Remember Me" aus dem Pixar-Film "Coco" einen weiteren Academy-Award einheimsten. Und um Shania Twain zu zitieren: Never change a ka-chinging team, oder?
Neun Anderson-Lopez/Lopez-Kompositionen finden sich auf dem Soundtrack, hinzu kommen drei Coverversionen von Weezer, Kacey Musgraves sowie Panic! At The Disco. Doch beginnen wir von vorne, denn auch die Schauspieler können sich hören lassen. Disney schlampt ja nicht.
Ohne den Film gesehen zu haben, lässt sich schon aus dem Soundtrack ableiten, dass Iduna, die verstorbene Mutter der Prinzessinnen Anna und Elsa, dieses Mal eine größere Rolle einnimmt. Was uns das Schlaflied "All Is Found" beschert, das sie ihren Töchtern einst vorsang. Evan Rachel Wood flötet unaufdringlich zur puderzuckersüßen Instrumentierung. In der Cover-Version der Grammy-prämierten Kacey Musgraves übernimmt eine gezupfte Gitarre den Part der Streicher. Gänsehaut will sich leider bei beiden Varianten nicht einstellen.
"Some Things Never Change" ist der obligatorische Ensemble-Song, der die Figuren von Kristen Bell, Idina Menzel, Josh Gad und Jonathan Groff vereint. Dasselbe gilt für Musical-typische Elemente wie der einleitenden, schmissigen Pianomelodie, den leicht klebrigen Streichern oder dem sich auftürmenden Chorgesang im Refrain. Hebt die Laune, wie etwa "Life's A Happy Song" aus dem Muppets-Film von 2011.
Wer nichts gegen etwas Schmalz einzuwenden hat, wird auch mit dem Titelsong "Into The Unknown" warm. Nach sachtem Start schießt die Intensität im Refrain genauso hoch wie die Stimme von Idina (Elsa). Die Schauspielerin beweist selbst in höchsten Tonlagen ein beachtliches Stimmvolumen. Eine der eindrücklichsten Leistungen des Soundtracks. Höchste Höhen erreicht freilich auch Brendon Urie in der Version von Panic! At The Disco, die sowas wie eine kinderfilmtaugliche Version von Rockmusik mit Vorliebe für Schwulst darstellt.
Unverzichtbar ist natürlich ein Song des lustigen Sidekicks, was der Schneemann Olaf (Josh Gad) wäre. Das schrullige "When I'm Older" ist kaum ein Oscar-Kandidat und dürfte höchstens manche Eltern im Familienauto in erhöhte Unfallgefahr bringen – einem unvermittelt einsetzenden Schrei sei Dank. Die kurze Laufzeit unterbietet nur "Reindeer(s) Are Better Than People": Mehr ein kurzes Zitat aus dem ersten Film als ein richtiger Song. Das geht ja schneller als beim Grindcore hier! Und so langsam zeichnet sich ab, dass bei Weitem nicht jeder Song ein Treffer ist.
Da tritt Jonathan Groff auf den Plan: Seine Figur Kristoff fühlt sich "Lost In The Woods". Der semi-balladeske Song ist ganz nett, kann aber trotz hübscher Harmonien die Kohlen nicht wirklich aus dem Feuer holen. Das gelingt Weezer mit ihrer pop-rockenden Version schon eher. Die Truppe um Rivers Cuomo versteht es von allen auftretenden Künstlern am besten, ihren eigenen Dreh einzubringen.
Gegen Ende zeigt die Formkurve mit "Show Yourself" wieder nach oben. Das Mutter-Tochter-Duett zwischen Evan Rachel Wood und Idina Menzel bringt mehr Emotionen aufs Tableau und dürfte im Film eine Schlüsselsequenz einnehmen. Eine gut gemachte Powerballade geht bei Disney immer, erst recht mit aufbauender Glaub-an-dich-Selbst-Botschaft: "Show yourself / Step into the power / Throw yourself / Into something new".
Als nächstes darf die andere weibliche Hauptrolle ran: Kristen Bell als Anna. Das rührende "The Next Right Thing" verbreitet die ermutigende Botschaft, dass man sich Schritt für Schritt durch jede Krise kämpfen kann. Bell intoniert die Nummer mit viel Herz, aber ob das der nächste große Ohrwurm wird, den die Kids anstimmen? Ein neues "Hakuna Matata"? Wohl kaum.
Vielleicht gewinnen die Songs noch dazu, wenn der Film mal angelaufen ist, aber ohne bildliche Unterstützung wirkt die Compilation eher lauwarm. Die Erfolgsaussichten an den Kinokassen dürfte das kaum schmälern, und das "Next Right Thing" im Falle von "Frozen" ist ziemlich sicher ein am Horizont lauernder dritter Film. Man wünscht dem talentierten Schauspieler-Ensemble dann bloß ein paar gelungene Songs mehr.
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