laut.de-Kritik

Pervers poppig, aggressiv und immer noch relevant!

Review von

Papa Roach sind eine dieser Bands, bei denen man sich sicher sein kann: kommt ein neues Album, kommen die Hate-Kommentare. Klar, ist ja auch einfach: Der Überhit war - vor mittlerweile fast zwanzig Jahren - Teil der Nu Metal-Welle, also muss die Band heute quasi doof sein. So wie Linkin Park, Korn und wie sie alle heißen. Während Korn jüngst versuchten, die alten Fans wieder ins Boot zu holen und Linkin Park den totalen Schnitt längst vollzogen haben, machen es sich Papa Coach auf "Crooked Teeth" irgendwo dazwischen gemütlich. Stellenweise wird es haarsträubend poppig, andernorts aggressiv wie lange nicht mehr. Fuck, Papa Roach sind 2017 tatsächlich noch relevant!

Alles mögen muss man dennoch nicht, was die Band auf "Crooked Teeth" serviert. "Periscope" etwa könnte tatsächlich von aktuellen Linkin Park stammen und ist ... hm ... einigen wir uns auf 'gewöhnungsbedürftig'. Gitarren und Schlagzeug spielen hier bloß noch pro forma, statt in Riffs suhlt man sich in leicht verdaulichen Synthesizer-Sperenzchen und einem "Wetten, dass..."-tauglichen Liebesduett mit Skylar Gray. Da gulpt es schon mal kurz in der Kehle.

Kaum zu glauben, dass dieselbe Band auf demselben Album so etwas wie den Titeltrack "Crooked Teeth" vorführt. Statt radiofreundlich einen auf Schwiegermutterliebling zu machen, wirft Coby Shaddix hier seine ganze Duracell-Macht hinein, rockrappt wie zu besten "Infest"-Zeiten, kloppt noch einen Ohrwurm-Refrain hinterher und liefert kommenden Live-Zeugen eine feine Grundlage, sich gegenseitig wehzutun. Und der Titeltrack ist bei weitem nicht das einzige Stück, das solche Qualitäten mit sich bringt. "My Medication" etwa zündet als Mixtur zwischen Akustik-Popper, Stadionhymne und düster-dreckigem Spitter sofort und hat das Zeug, in der bandinternen Hitliste weit nach oben zu klettern.

Ein Schaulaufen durch verschiedenste Facetten ihres Könnens ist "Crooked Teeth" dabei nicht bloß für die Band, sondern auch für das junge Produzententeam RAS Furlong und Colin Brittain. Beide trugen meines Wissens zuvor noch nie die Hauptverantwortung für eine Langspielplatte, doch sie schlagen sich hervorragend. Die Band legt mit ihren Kompositionen vor, vollzieht einen Spagat zwischen modernem Pop und klar offen gelegten Wurzeln – die Männer am Pult vermitteln zwischen beiden Polen und lassen dabei keineswegs an Punch vermissen.

Der Song, der das Album wohl am besten zusammenfasst, ist "Born For Greatness". Hier saß ausnahmsweise mal Jason Evigan an den Reglern – der arbeitete bereits mit Madonna und Jason Derulo, klatscht Papa Roach ein paar von deren Studiotricks ins Gesicht und dürfte Puristen erfolgreich anpissen. Bis man feststellt, dass das Ding trotz eingeschobener Voice-Pitchs, pervers nettem Mitsing-Pre-Chorus und überlebensgroßer Boom-Beats ziemlich killt. Oder Moment: vielleicht gerade deswegen? Wesentlichen Anteil daran hat einmal mehr auch Coby, der selbstbewusst von Winke-Winke-Mann zum Berserker mutiert und den Weg ebnet dafür, dass Jerry Hortons Gitarrenriff so reinhaut.

Dass Produzenten und Band am selben Strang zogen, hört man selbst den weniger auffälligen Tracks wie "Help" an. Und genau deshalb können sich Papa Roach auch erlauben, ein solch breites Stilspektrum aufzufahren, wie vielleicht noch nie zuvor in ihrer Karriere. Bei "Sunrise Trailer Park" fühlt man sich gar leicht an Yelawolf erinnert, wenn Coby zu relaxten Westerngitarrengroove rappt. Die Transition zum klebrigen "best years of my life"-Refrain erfolgt wie aus einem Guss. Genau wie es eben durchaus merkwürdig Sinn ergibt, in "None Of The Above" brutale Breakdowns mit halligen Plastikbeats zu untergraben.

Wer Papa Roach mit "Crooked Teeth" eine Chance gibt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit belohnt. Zwar serviert die Band einige Durchhänger und die Bonus-Tracks "Ricochet", "Nothing" und Bleeding Through" tragen diesen Patch nicht ohne Grund. "Crooked Teeth" kontert das aber mit Brechern, die jetzt schon Lust auf die kommenden Live-Shows machen. Welche genau das jeweils sind, entscheidet ihr am besten nach dem Hören selbst.

Trackliste

  1. 1. Break The Fall
  2. 2. Crooked Teeth
  3. 3. My Medication
  4. 4. Born For Greatness
  5. 5. American Dream
  6. 6. Periscope
  7. 7. Help
  8. 8. Sunrise Trailer Park
  9. 9. Traumatic
  10. 10. None Of The Above
  11. 11. Ricochet
  12. 12. Nothing
  13. 13. Bleeding Through

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