laut.de-Kritik
Hinterlistig oder genial? In einer Liga mit Sonic Youth!
Review von Adrian MeyerUmgeben von orchestral-multiinstrumentellen Vielkopfbands Montreals (siehe Arcade Fire) musizieren Parlovr bewusst minimalistisch, erzeugen damit aber maximale Wirkung. Zwischen Atonalität und wundervollen Harmonien schwankend, streckt das schrullige Quartett quiekfidel die Arme Richtung frischem Power-Pop aus.
Sie haben dabei ebenso Gaudi wie ein kleines Kind, das sich voller Freude ein von Vati gekauftes Vanilleeis ins Gesicht schmiert. Zum Einsatz kommen billigste Gitarren vom Supermarkt um die Ecke, hochmotiviertes Drumming, kuriose Keyboards und stapelweise "Woohoos".
"Pen To The Paper und "On The Phone" liefern verschwurbelt-verschwommene Lieblingsmelodien, während man zum befreienden "Sandwalking" nicht nur im Sand latschen möchte, sondern gleich einen spontanen Sprint Richtung Wasser hinlegt. Die anfängliche Verwunderung darüber, dass diese abgenutzten Müll-Instrumente solch großartige Klänge erzeugen sollen, verwandelt sich alsbald in schiere Begeisterung.
Frische, Spaß, Unbedarftheit: Parlovr investieren all das in ihr Debüt. Völlig ohne Abgeklärtheit und mit einer offenbar bewussten Naivität basteln sie einem kleine Song-Geschenke, die sofort ins Herz gehen (wer nennt einen Song schon "Hiccup!"?).
Lieder wie "Sever My Ties" erzeugen die gleiche Wirkung wie verpeilte Welpen, die einem zuerst ans eine Bein pinkeln, nur um dann sogleich schmusig ums andere zu schleichen. "What would you say to a dead man with your face", schreit Sänger Louis Jackson darin in fieser Manier über atonale Riffs, nur um gleich darauf ein heuchlerisches "Woohoo-woohoohoo" folgen zu lassen. Wie soll man da schon ärgerlich sein?
Zum verletzlichen "Archy & Mehitabel" möchte man sich am liebsten verlieben, "Sleeping Horses" serviert Foals'sche Gesangs- und Synthiemelodien, während im Schlusstrack "All The World Is All That Is The Case" nicht nur die geographische Nähe zu Arcade Fire offensichtlich erscheint.
Es gibt in der Tat nur wenige Bands, die Dissonanz und Harmonie in wunderbare Songperlen verpacken. Zumindest in dieser Hinsicht zählen Parlovr gut und gerne zur gleichen Liga wie Sonic Youth.
Immer in Bewegung, aber niemals tanzbar, voller Liebeskummer, aber dennoch nichts für einsame, rotweingeschwängerte Sommerabende auf dem Balkon, lässig und cool, aber trotzdem kein Soundtrack fürs Locker-an-der-Bar-stehen: Parlovr sind hinterlistig. Oder genial.
Noch keine Kommentare