laut.de-Kritik
Die Wolken in den Bergen hängen tief.
Review von Giuliano Benassi"Mach langsam, mach wenig, mach Pause", lautet der Untertitel des vorliegenden Albums. Sicherlich keine verkehrte Lebenseinstellung, auch wenn der schweizerische Musiker aus Sedrun in der Surselva, nahe dem Gotthard, keiner ist, der sich auf seiner faulen Haut ausruht. Im Gegenteil: Mit seinem tragbaren Studio ist er jederzeit und überall bereit, neue Ideen umzusetzen. Selbst bei einer Nepal-Reise, wie ein Youtube-Video von Januar 2018 zeigt.
Das vorliegende Album ist das neunte, auf dem sein Name steht. Nach der fröhlichen Zusammenarbeit mit dem Bassisten Rees Coray ("Veta Gloriusa", 2016) hängen die Wolken in den Bergen diesmal tiefer. Das gilt für Alm und Hütte auf dem Cover, vor allem aber für die Musik.
Wie gewohnt übt sich Pascal Gamboni an verschiedenen Sprachen und Ansätzen. Der Opener geht schon fast in Richtung Pop, selbst wenn das Schlagzeug, wie auf dem Rest der Platte auch, recht wuchtig wirkt. Singt er hier noch auf Rätoromanisch, ist er auf dem folgenden "The Suncoming" auf Englisch zu hören. "I saw it with my own eyes / Just draw the things you want in the air ", lauten die nachdenklichen Zeilen zu Beginn, begleitet von den langen Noten eines Euphoniums und eines Cellos.
"Anima" und "Da Me Forza" versuchen sich wieder an eher poppigen Melodien, das Herzstück des Albums bilden jedoch die zentralen drei Stücke. Das melancholische "Mo Si Tschiel" beginnt mit einer Akustikgitarre, danach lässt Gamboni seine tiefe Stimme von einem Cello begleiten. "Tschibaditschep" kommt bis auf eingestreute Gesprächssegmente ganz ohne Worte aus - Gamboni summt tief und lässt seine E-Gitarre über ein monotones, dissonantes Grundriff nahtlos in ein Keyboard übergehen. "In A Blaze" geht in dieselbe Richtung, auch wenn das Keyboard die Stimmung diesmal etwas hebt.
"Das muss die romanische Melancholie sein, die man da hört. Man sagt wirklich, dass wir Rätoromanen eher melancholisch klingen, auch die Chöre. Vielleicht wegen der Berge", erklärt Gamboni. Doch reißt die Wolkendecke gelegentlich auch auf, etwa in "Lindenhof Blues" und dem fröhlich improvisierten Wiegenlied "Schlofed Gut I" mit seinem Patenkind Arino. Im abschließenden "Das Ischt Alles Ein Teufel" kommt eine gesampelte Bahnhofsdurchsage vor, die auf italienisch den Zug nach Lugano ankündigt. Von den wolkenbehangenen Bergen hinab zum hoffentlich sonnigen See, also.
Diese Mischung ergibt ein intim klingendes Album, auf dem sich Gamboni wie gewohnt um fast alles selbst gekümmert hat. Die Aufnahmen fanden mit eigenem Equipment statt, befreundete Musiker begleiteten ihn, darunter Schlagzeugerin Eveline Rütschlin, Cellistin Isabella Fink, Bruder Romeo und der ebenfalls aus Sedrun stammende Severin Brugger.
"Gib nie auf", lautet die Übersetzung des Albumtitels. Das gilt umso mehr für den Künstler, der dieses Werk selbst herausgebracht hat und promotet. Dennoch sollte man sich die nötige Zeit nicht nehmen lassen und stets die 3P-Technik anwenden, wie Gamboni selbst sagt: "fo plaun fo pauc fo pausa" - mach langsam, mach wenig, mach Pause, eben.
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