laut.de-Kritik
Ein Blick zurück auf die Hochzeit der 'Raving Society'.
Review von Martin TenschertPaul Kalkbrenner hat es trotz seiner neverending Welttour und einer nervigen Ohrentzündung geschafft, ein neues Album mit 15 Stücken zu produzieren. "Parts Of Life" lässt die lustigen Tracktitel vergangener Jahre mal beiseite und konzentriert sich auf die Hochzeit der 'Raving Society'.
Pauls Prägungsphase, was elektronische Musik betrifft, ist das Berlin der frühen Neunziger. Mauerfall, Aufbruchsstimmung, Ost und West bündeln sich zur neuen Techno Hauptstadt. Der damals vorherrschende Sound, durchaus von Trance beeinflusst, weniger Pop, keine Fuffies, aber Gasmasken im Club.
Diesen Vibe 25 Jähre später auf Albumlänge wiederzugeben, ist sicherlich nicht das Ziel gewesen. Die Inspiration hat Pauls Sound jedoch gut getan. Die schlicht "Part 1-15" genannten Stücke schieben ordentlich, auch technisch hat sich seit den Neunzigern ja einiges getan.
"Part One" geht noch am ehesten in Richtung Frühwerk. Tröte, viele Breaks und reinknüppelnde Bassdrum. Tranciger geht es da schon bei "Part Four" zu. Konterkariert mit stampfenden Drums bedeutet das die Reduktion aufs Wesentliche. Auch "Part Eight" weckt Erinnerungen, und zwar an Happy Hardcore-Zeiten.
Fritzens großem Bruder gelingt die Verschmelzung von klassischen Signalsounds des Genres im typischen Kalkbrenner Trackgerüst, dessen Aufbau vor allem in Richtung Funktionalität auf der Bühne zielt. Seine Live Performances gewinnen gerade durch das Spielen mit bekannten Sequenzen und dem Einsatz von Soundschnipseln, die den nächsten Track vorankündigen.
"Part Two" überrascht mit einer Monster Bassline, die durchaus einer frühen Mayday gut zu Gesicht gestanden hätte. Aber irgendwie fehlt ein roter Faden, der die Stücke zueinander positioniert. "Parts Of Life" versammelt doch sehr unterschiedliche Stimmungen von Ambient bis Hardcore, die einander eher stören als harmonieren.
Dazu kommt Überflüssiges: "Part 10" ist für Kalkbrenners Verhältnisse und Können schlichtweg mittelmäßige B-Ware. Ein unbekannten Sänger, der angeblich bereits Ende der 90er von Paul mitgeschnitten wurde, kommt auf "Part Six" zu Wort. Dazu eine Timo Maas-esque Drumline - Eine Art Prä-"Sky And Sand", aber musikalisch nicht auf dem Niveau des späteren Klassikers.
Es hätte dem Album vielleicht gut getan, einige Lückenfüller wie das recht beliebige "Part Fourteen" wegzulassen und es dafür einfach bei zehn starken Nummern zu belassen. Dennoch sind Pauls persönliche "Lebensteile" auf weiter Strecke solide produzierter, unterhaltsamer Techno, der der goldenen Rave Ära Berlins huldigt.
3 Kommentare
Eine unglaubliche Melancholie weht hier durch jeden Track, pure Wehmut, Abschied, Nostalgie und die Gewissheit, dass jede Party, das alles ein Ende hat. Gleichzeitig aber auch ein letztes Aufbäumen gegen die Endlichkeit des Seins, vorausschauend auf die ferne Sonne, die sich langsam hinter den Horizont senkt, auf dass man noch ein einziges Mal unendlich in die Nacht hineintanzt. Besser kann es nicht mehr werden!
einfach nur traurig...
Ein musikalisches Meisterwerk. Techno in nahezu seiner gesamten Gestalt. Der Albumtitel passt perfekt zu den einzelnen Stücken und man hört die Hingabe und Qualität, die Kalkbrenner in dieses Album reingesteckt hat, wirklich heraus. Die Platte als „soliden Techno“ mit einigen „Lückenfüllern“ oder „B-Ware“ zu bezeichnen, wird dem ganzen eindeutig nicht gerecht!