laut.de-Kritik
Mike Patton trifft auf Massive Attack und Norah Jones.
Review von Eberhard DoblerPeeping Tom soll also Mike Pattons Pop-Projekt sein: "Ich wollte meine Version von Radio-Musik machen." Was als Pop angekündigt wurde, ist erwartungsgemäß eine sehr spezielle Definition. Pop im Pattonschen Sinne eben, bei dem sogar Norah Jones begeistert "Sucker" ins Mikro haucht. Richtig gelesen, Norah Jones.
Sie ist nicht die einzige Berühmtheit, die dem Ruf des Konzertmeisters folgte. Es kollaborierten Massive Attack, Hip Hop-Größen wie Kool Keith, Rahzel und Dan The Automator, die Underground-Hip Hopper von Anticon oder die südamerikanische Bossa Nova-Sängerin Bebel Gilberto.
Mit Mainstream-Pop hat Peeping Tom also nichts zu tun, auch wenn der Ipecac-Boss seine massenkompatibelste Platte seit Jahren vorlegt. Und so muss der Name Faith No More fallen. Mikes neue knüpft in der Tat an die späten FNM-Platten an: Die letzte Nummer, der Remix von Dub Trios "We're Not Alone", passt - besonders im Refrain und im ausufernden Schlussteil - trotz des deep tänzelnden Basses locker zur letzten FNM-Scheibe.
Andererseits könnte Pattons Projekt Tomahawk die Nachfolge FNMs noch am ehesten antreten. Peeping Toms Ähnlichkeit bezieht vor allem auf seinen Gesang und deutlich erkennbare Songstrukturen. Natürlich hört man öfters schwere Alternative-Gitarren ("Five Seconds"). Dennoch fußt die Produktion, was Beats und Arrangements angeht, überwiegend im Sampler. Bezüglich des Sound-Designs sorgte insofern eher Pattons Kollabo mit der Handsome Boy Modeling School für Impulse ("Mojo" feat. Rahzel und Dan The Automator").
Für Peeping Tom kombinierte Patton nerdig fette, meist auf Alternative-Hip Hop basierende Beats mit seinen typischen Vocal-Einlagen ("Getaway"). Die Songs rufen die bekannte Palette von schmeichelnder Melodie bis Aggression ab. Und trotz sehr wendiger Arrangements bleiben sie stets einer festen Struktur verpflichtet bzw. behalten Harmonie und Melodie im Fokus (das trip-hoppig ambiente "Don't Even Trip" etwa), auch wenn jene düster oder verstörend ausfallen können.
Musikalisches Grenzgängertum ist Patton offensichtlich in den Gencode einprogrammiert. Einen Höhepunkt bietet "Kill The DJ". Wer Massive Attack mal auf Industrial hören will, ist hier richtig: Eine fiese Hymne, deren harte Synthies und Refrain-Riffs jedes Massive-Konzert in einen Moshpit verwandeln würden. Underground-Hip Hop gibts dagegen bei "You Neighborhood Spaceman" oder dem groovigen "How U Feelin?".
Die ersten Peeping Tom-Klänge entstanden bereits 2001, und auch wenn Patton wie so oft mit vielen seiner Koop-Partner gar nicht persönlich im Studio stand, sondern ihnen die Songs lieber vorgab, klingt die Platte wie aus einem Guss. Material für eine weitere Platte soll übrigens so gut wie fertig sein. Eins ist sicher: In die sogenannte Zweite-Album-Falle tappt Peeping Tom bestimmt nicht.
3 Kommentare
Was denn, die Scheibe hat seit einem Jahr wirklich keiner kommentiert?
Grad wieder hervorgeholt. Ein dickes Brett!
Ne, das Album ist bei mir recht bald - nach anfänglicher Euphorie - wieder in der Versenkung verschwunden.
Ist im Nachinein betrachtet doch zu "einfach" gehalten. Das Zitat seinerseits mit der Radio-Musik trifft eigentlich sehr gut zu. Am Ende ist es dann doch ZU belanglos.
Der Kauf lohnt sich trotzdem, wenn man keine Experimente erwartet und ein recht gutes Album für Zwischendurch sucht.
@Vicious! (« Ne, das Album ist bei mir recht bald - nach anfänglicher Euphorie - wieder in der Versenkung verschwunden.
Ist im Nachinein betrachtet doch zu "einfach" gehalten. Das Zitat seinerseits mit der Radio-Musik trifft eigentlich sehr gut zu. Am Ende ist es dann doch ZU belanglos. »):
mir geht's ehrlich gesagt genauso