laut.de-Kritik
Tiefenentspannung zwischen Folk und Neo-Klassik.
Review von Andrea TopinkaSelbst wenn man noch nie etwas von Peter Broderick gehört hat, der Albumtitel deutet es an: Bei "Float 2013" handelt es sich um eine Neuauflage seines 2008er Debüts "Float". Brauchts ein Reissue von einer Platte, die vor fünf Jahren vermutlich nur ein paar hundert Leute gekauft haben? Unbedingt!
Denn bereits damals verstand es Broderick, Vorliebe für Neo-Klassik und seine Wurzeln in Portlands Folk-Szene auf höchstem Niveau zu verbinden. Daher wirkt es logisch, die Aufmerksamkeit noch mal auf das Album zu lenken, gerade weil sein Labelkollege Ólafur Arnalds mit "For Now I Am Winter" zuletzt Achtungserfolge einfuhr.
Eine überarbeitete Variante erscheint gleichzeitig, gemessen an der Qualität der 2008er Version, dennoch erst mal überflüssig. Doch der Songwriter/Komponist war sich sicher, dass man mit der richtigen Abmischung noch mehr aus dem Erstling rausholen kann. Recht behält er. Noch dazu übernahm das Remastering sein guter Freund Nils Frahm.
Man muss schon aufmerksam vergleichen, um die Unterschiede ausfindig zu machen, doch genau darin liegt die Meisterschaft des Berliners. Er versetzt den einen oder anderen Instrumenteneinsatz, lässt hier und da einem Übergang mehr Zeit oder verschiebt die Prioritäten. Kurz: Er bügelt ein paar holprige Stellen glatt und perfektioniert das Timing.
Doch wie gesagt, Frahms Beitrag zu "Float" übernimmt nur die Rolle eines I-Tüpfelchens. Denn eindringlich und stimmungsgeladen waren Brodericks Arrangements bereits vor fünf Jahre. Von Kollegen als Multiinstrumentalist geschätzt, schöpfte er aus seinem vollen Repertoire: Piano, Violine, Cello, Gitarre, Banjo, Schlagzeug oder Bläser. Nicht selten überlagern die beeindruckenden Klangkulissen Landschaftsaufnahmen von Vogelgezwitscher oder dem Rauschen des Windes ("Floating/Sinking").
Liest sich vielleicht wie der reinste Kuddelmuddel, Broderick lenkt jedoch alles in seine Bahn und schafft beschwichtigende Melodiebögen. Statt mit waghalsigen Experimenten zu überfordern, lädt "Float 2013" zum meditativen Nachdenken über Leben und Natur ein. Unaufgeregt, ohne unaufregend zu sein.
Im Zentrum des Werks steht der Siebenminüter "Stopping On The Broadway Bridge". Es beginnt mit repetitiven Tonfolgen auf dem Klavier, ehe Windböen ertönen, die unter der Brücke hindurchpfeifen, Motorengeräusche und Sirenen klingen leise an. Banjo-Gezupfe lässt dann städtische Hektik erahnen, während Streicher, Bläser und Piano einen ausgleichenden Ruhepol bilden.
Die getragene Stimmung fließt in "Another Glacier" über, dem einzigen Stück, in dem Peter Broderick zusammen mit einer Sängerin seine Stimme für ein paar verträumte Momente erhebt. So unerwartet wie die Vocals erklingen, so schnell verhallen sie im Anschluss, fügen sich ähnlich wie die Geräusch-Samples schnörkelos in das tiefenentspannte Gesamtbild ein.
Einzig "Broken Patterns" vermag es mithilfe blecherner Percussions, anschwellenden Streichern und ein paar Drumschlägen mit einem Anflug von Disharmonie zu überraschen. Jegliche Spur davon verschwindet allerdings, sobald die beiden letzten Tracks "An Ending" und "A Beginning" den Hörer mit weichem Wechselspiel von Piano und Streichern wieder zurück in seine meditative Blase driften lassen.
"Float 2013" hält, was es im Namen verspricht: Denn selten erlaubt es eine Platte, sich derart treiben zu lassen und in seine Gedanken zu versinken - ganz ohne erdrückende Melancholie, die sich in ähnlichen Kompositionen oft ausbreitet. Brodericks Musik lebt vielmehr von natürlicher Schönheit und beruhigender Stille.
2 Kommentare
Yes! Kommt an Nils Frahm und Olafur Arnalds zwar nicht ganz ran, ist aber auf jeden Fall eine wundervolle Entdeckung, der Mann. Zumal sich die Platte von Mal zu Mal verblüffend entwickelt, der Stimmungbogen ist weiter als beim genialen OA. Danke für die Rezi!
Hab ihn hier und da mal im Vorprogramm gesehen, hat ja auch bei Efterklang Live mitgewirkt.
Solo hat er mich live nicht so vom Hocker gehauen, technisch ist er aber ein sehr guter Musiker.
Der König in diesem Genre ist für mich seit langem Olafur Arnalds, für Leute die weiter interessiert sind könnte ich unter anderem den oben genannten Nils Frahm, Johann Johannson, Ryuichi Sakamoto, mehr ins Eletronische auch Tim Hecker empfehlen