laut.de-Kritik
Zwischen Kinderlied und Schauerromantik.
Review von Hardy FunkEine niedliche Melodie, das vorsichtig beschwingte Klavier Thies Mynthers und den prononcierten Gesang Dirk von Lotzows: viel mehr braucht es nicht für den verschroben-eingängigen Zauber von Phantom Ghost. Das galt zumindest für die letzte Platte und das gilt auch für "Pardon My English", dem mittlerweile fünften Longplayer des längst nicht mehr nur Nebenprojekts.
Hören konnte man das schon im März anhand des Vorboten "In The Tittery", der mit den Zeilen "Baby tits singing for me/ Baby tits singing for me/ I felt imprissoned, now I'm free/ I light another cigarette in the tittery" selbst mich erwachsenen Mann zum Schmunzeln brachte. Und auch wenn mit diesen Worten natürlich nur Baby-Meisen und die heimeligen Qualitäten eines Meisenschlags gepriesen werden, darf leise gelächelt werden. Schließlich singt v. Lotzow das zweite Vogel-Lied der Band-Geschichte wie gewohnt mit verstecktem Augenzwinkern.
Die große Camp-Sause geht also in die nächste Runde: Das Dandy-Duo Mynther und v. Lotzow wirft sich wieder einmal eine theatralische Geste nach der anderen zu. Den Beat haben Phantom Ghost ja schon vor längerer Zeit weggepackt. Mit der letzten Platte beschränkten sie sich nurmehr auf Klavier und Gesang. Und auch diesmal bereichern lediglich ein Cello hier, ein Glockenspiel da, vereinzeltes elektronisches Geplucker oder ganz zaghafte Percussion die Songs. Phantom Ghost scheinen eine (vorerst) endgültige Form für ihre Varieté-Show gefunden zu haben.
Auch Michaela Meise ist wieder auf einigen Liedern zu hören, neben dem eingangs erwähnten "In The Tittery" verziert sie das "Mini-Musical" "Phantom Of The Operette" mit ihrer sanften Stimme. Dem so schön harmonierenden Duett Meise/v. Lotzow konnte man zuletzt ja nicht nur auf dem Vorgänger-Album lauschen, sondern auch auf Meises aus der Zeit fallender Kirchenlied-Sammlung "Preis Dem Todesüberwinder". Noch mehr als die zarten Gesänge sind es aber die Kinderlied-Melodien beider Songs, die einen rumkriegen. "Dreams Of Plush", mit luftigen Plucker-Sounds und zusätzlichem blechernen Gesang, der wie aus einem raubkopierten Song mit zu geringer Bitrate klingt, komplettiert die Trias an kleinen Hits, die es noch auf jedem Phantom Ghost-Album gegeben hat.
Trotz manch heiterer Momente wirkt die Platte insgesamt aber etwas weniger feierlich als zuletzt. Man fühlt sich beim Hören eher an viktorianische Schauerromane erinnert als an die Theaterkulisse von "Thrown Out Of Drama School". Das mag auch an den drei titelgebenden Instrumental-Stücken "Pardon My English I", II und III liegen, die stockend und beunruhigend immer dann die Stimmung wieder drücken, wenn es gerade etwas leichter zur Sache ging. Das scheint, soweit ich nicht Klassik-sozialisiertes Kind die Behauptung des Promozettels überprüfen konnte, doch tatsächlich Zwölftonmusik zu sein, die der Pop-Fan hier zu hören bekommt.
Aber nicht nur mittels Zwölftontechnik, auch thematisch geht es zurück in die Moderne: Freud und Schopenhauer, Fürsten und Fürstinnen, Poltergeister und Wunderkinder bevölkern die Texte. Und trotzdem meint man immer wieder, Kommentare zur Zeit herauszuhören: "We are the damned/ We are the shattered/ We have fallen from grace" raunt uns v. Lotzow in "Universal Prostitution" zu, immerhin die ersten Worte der Platte, "We live in universal prostitution/ Excessive mediocraty" singt er weiter. Im schrulligen "Dr. Schaden Freud" wird geziert "Are you overanalyzed/ Haunted by a Poltergeist?" gefragt.
Verschrobene Kammermusik, kleine Hits und Zwölfton-Klavierstücke: so unmöglich es scheint, das alles passt hier wunderbar zusammen. Phantom Ghost liefern wieder einmal ein von hinten bis vorne in sich geschlossenes Album ab. Bevor man mit ein paar verlorenen Trombone-Tönen in die meist glanzlose Wirklichkeit entlassen wird, stimmt von Lotzow noch einen dieser Applaus-Songs an, wie sie große Diven und Crooner einst im Repertoire hatten: "We trade our lifes for just some good reviews", kokettiert er im vorlezten Song "Smashing New York Times", man tue das alles ja nur für ein paar wohlwollende Zeilen in der New York Times oder im Q Magazine. Ein kleines Juwel ist den beiden wieder einmal gelungen, ein ganz großer Wurf dazu.
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