laut.de-Kritik
Der schweizer Jan Delay hat Roots wie ein großer Baum.
Review von Dani Fromm"Schwyzerdütsch ist keine Sprache, sondern nur eine Ansammlung von widerwärtigen Frikativen und sollte unter Androhung der Todesstrafe verboten werden!" Wer dieser fehlgeleiteten Meinung eines (mir namentlich bekannten) Redaktionskollegen anhängt, der sollte von "Fang Ah" tunlichst die Finger lassen - man verpasst dann allerdings ein Album, das das Zeug zur Sommerplatte '05 hat. Allen anderen, insbesondere Freunden der jamaikanischen Volksmusik und Fans der Bergsprache, sei Phenomden wärmstens ans Herz gelegt. Kürzlich las ich die Bemerkung, Schweizerdeutsch sei für deutschsprachige Nicht-Schweizer schwieriger zu verstehen als Patois für englische native speaker. So betrachtet nur logisch, Reggae-Texte in Zürislang abzufassen.
Der phänomenale Dennis Furrer vollbringt diese Pioniertat. One Ton Records, das Label des Bassisten der Ganglords, verewigt das erste schweizer Mundart-Reggae-Album überhaupt, das mit einem wunderbaren Tune auf einem Crystal-Woman-Riddim aus dem Hause Rootdown eröffnet. Produzent Teka, der mir zum ersten Mal in Zusammenhang mit Nosliw aufgefallen ist, hat ganze Arbeit geleistet. Und Richie Senior an der Posaune? Wenn das mal nicht der alte Dr. Ring-Ding ist... "Jetz isch Ziit".
Zeit, um mit "Nume Drum" eine deftige Sozialkritik abzulassen: Deutliche Worte gegen Macht- und Profitstreben sind gerade in der Eidgenossenschaft nicht unbedingt fehl am Platz und erschüttern, verpackt vom Kölner Pow Pow Movement, problemlos jede Dancehall. Ebenfalls aus Köln stammt der Instrumentalteil zu "Wänn Lärnemer", der bereits bei Gentlemans "Wicked Thoughts" Verwendung fand. Marco Baresi, Schlagzeuger von Gentlemans Far East Band, setzte vor einiger Zeit den gutgelaunten Valentine-Riddim in die Welt. Phenomdens Version davon: "Ha De Sound". Wer Roots wie ein großer Baum hat, braucht sich wirklich keine Sorgen mehr zu machen.
Mit Valentine hätten wir Germaican am Start - fehlen aus der deutschen Reggae/Dancehall-Szene eigentlich nur noch die Silly Walks. Und tatsächlich: Die Hamburger stecken hörbar hinter "Wiedike", einer wuchtigen Hommage an die eigene Wohngegend. So gehuldigt könnte man glatt meinen, Wiedikon sei toll. Ein weiterer Beweis dafür, dass Schönheit unbedingt im Auge des Betrachters liegt. "A Jedäm Tag" und "Fang Ah" wurden von Andreas Brikalin (Ire Hi-Fi) produziert; auch dieser Herr entstammt dem engeren Umfeld der Silly Walks und leistete unter anderem wesentliche Beiträge zu Nosliws "Mittendrin".
Doch auch in der Schweiz gibt es großartige Reggae-Produzenten. Die Basler Scrucialists (bei denen Dennis Furrer zeitweise sang), liefern "Gfange" und "Energia", eine Kollabo mit dem Süditaliener Don Rico (Sudsoundsystem), die besonders mit ihren grandiosen Bläserriffs punktet. Die Townnet Crew trägt das basslastige "Dschungel" sowie den Riddim zu "Sunshine" bei. Sonne aus der Box auch hier. Phenomden ist in beiden Stücken höchstpersönlich am Bass zu hören.
Die Zürcher Ganglords zelebrieren mit "Gueti Musig" - der Titel legt es nahe - die Macht guter Musik. Oberhammer und Anspieltipp Nummer eins ist allerdings "Cha Nüt Defür". Die Bonx-It-Nummer stellte Phenomdens erste Veröffentlichung dar, schlug in den Dancehalls in und um Zürich ein und schaffte es auf den Nation-Music-Sampler, die Dancehall-Fieber-Compilation und in die FM4-Airplay-Charts. Zu Recht, denn so serviert kann man selbst dem Danke-du-darfst-jetzt-gehen am Ende einer Beziehung noch viel Schönes abgewinnen.
Denjenigen, die die Texte nicht verstehen, bleiben immer noch die Vibes: Rootsreggae vom Feinsten. Es Füür muess bränne. Hopp, Schwiiz! More Fyah!
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