laut.de-Kritik
So punkig wie die Elevator Boys.
Review von Kai ButterweckNach der dreijährigen Pandemie-Zwangspause kommt das Musikbusiness so langsam wieder in den Tritt. Bands und Künstler gehen auf Tour und veröffentlichen fleißig neues Material. Auch die Jungs von Plain White T's wagen sich mit neuen Songs ins Freie – in der Hoffnung, dass sie die kreischende Fanschar seit der letzten Veröffentlichung "Parallel Universe" nicht vergessen hat.
Mit "Young Tonight" und "Would You Even" machen Sänger Tom Higgenson und seine vier Mitstreiter auch gleich vieles richtig. Die Melodien gehen schnell ins Ohr, die Produktion ist knackig und die im hymnenhaften "Would You Even" verwendeten Gitarren lassen die Herzen von Rock-Fans höherschlagen. Leider markiert der fulminante Einmarsch aber nicht den Startschuss des vielleicht spannendsten Pop-Punk-Albums der letzten Jahre. Bereits mit der kitschigen Beziehungsnummer "You Plus Me" verspielen die Plain White T's sämtliche Sympathien wieder. Plötzlich ist sie wieder da, diese austauschbare Mixtur aus Boyband-Pop und verklemmter Good Charlotte-Attitüde.
Das von Handclaps und gepickten Gitarrensaiten angetriebene "Fired Up" geht einem schon nach dem Ende der ersten Strophe tierisch auf die Nerven. Auch "A Little Less Alone" startet mit klatschenden Händen und seichtem Gitarrenspiel für laue Pfadfinder-Abende. Irgendwann setzt der Refrain ein: "A little less alo-o-o-o-o-o-o-one", trällert Frontmann Tom. Durchatmen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Irgendwann kriegen die Jungs bestimmt wieder die Kurve, denkt und hofft man vor den Boxen. Aber Pustekuchen! Der Fünfer bleibt sich und seiner Linie treu.
"L-O-V-E" reimt sich auf "A-B-C" und "One, two three". Die honigsüßen Schulhof-Lyrics nehmen den Hörer mit auf eine Reise in eine Welt voller Neonlichter, Kaugummiautomaten und Pausenbrot-Geschirr. Musikalisch geht auch in der zweiten Albumhälfte alles den Bach runter – zumindest in der Wahrnehmung all jener, die die Band mit dem Begriff Pop-Punk à la Green Day, Blink 182 und Sum 41 assoziieren.
Irgendwann wedelt auch das "Girl From Pasadena" mit einem Strauß "Red Flags" und wischt sich frustriert das abwaschbare "Spaghetti Tattoo" vom Arm. Die Plain White T's fallen zu Beginn mit der Tür ins Haus, haben auf lange Sicht aber so viel mit Punk zu tun wie die Elevator Boys. Das allein muss noch keinen Tadel nach sich ziehen. Aber die Jungs fahren auch auf der Pop-Schiene in eine Sackgasse. Zu vorhersehbar, angepasst und weichgespült verirrt sich die Band in einem watteweichen Labyrinth.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Neulich lief mal wieder Delilah im Radio und da fiel mir wieder ein wie dankbar ich bin dass die nur einen bekannten Song gemacht haben.
Oh ja, das ist ein wahrlich grauenvolles Stück Musik, welches es bis heute erfolgreich verhindert hat, jemals einen weiteren Song dieser Combo hören zu wollen.
Diese in sozialen Medien immer mal wieder kolportierte Story zum Stalker-Hintergrund des Text(er)s - ohne mich näher informiert zu haben, wie viel da wirklich dran ist - geht mir immer mit durch den Kopf, wenn ich mich der Hörerfahrung aufgrund irgendeines Radios im öffentlichen Raum gerade mal nicht aktiv entziehen kann. Als hätte ich wirklich bloß noch diesen einen Grund mehr benötigt, um das Lied endlich aufrichtig und wohl überlegt hassen zu können.