laut.de-Kritik
Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist.
Review von Mirco LeierPost Malones Verhältnis zu Hip Hop war stets ein wenig ambivalent. Einerseits machte ihn das Genre zum Weltstar, andererseits gestand er öffentlich ein, keine besondere emotionale Verbindung zu dieser Art von Musik zu verspüren. Die 808s zahlten zwar die Miete, doch sein Herz lag stets im Rock, im Indie, im Singer-Songwriter-Pop. Und nach zahlreichen Flirts mit diesen Genres auf seinen letzten Alben schien es nur eine Frage der Zeit, bis Malone dem Genre, dem er seinen Durchbruch verdiente, gänzlich den Rücken kehrt und stattdessen endlich die Klampfe von der Wand holt und sich ans Lagerfeuer setzt.
Wobei die Intimität dieser Flamme genau einen Song lang hält, bevor "Something Real" die Bombast-Kanonen ausfährt und uns einen anthemischen Chor und ein aufgeblasenen "Für Elise"-Sample um die Ohren ballert: Bei aller Liebe für für seine Gitarre, Posty bleibt eben auch den Regeln des Mainstreams treu und legt in der Folge einen etwas ungelenken Spagat zwischen Rockballaden und Arenapop hin.
Die ersten vier Songs bilden die musikalische Spannbreite von "Austin" sehr anschaulich ab. "Don't Understand" öffnet mit akustischer Melancholie und einer verletzlichen Vocal-Performance von Malone, während "Something Real" jegliche Subtilität in die Tonne kloppt und ihn als den heißhungrigen Rockstar mit einem kruden Sinn für Humor porträtiert, denn wir seit "Beerbongs & Bentleys" kennen. Nach diesem anfänglichen Doppelschlag führen "Chemical" und "Novacandy" etwas sanfter in den Sound über, den ein Großteil dieses Albums dominiert. Softer Pop, dessen Färbung stets zwischen folkigen Gezupfe und schmalzigen Synthies variiert.
Schlecht steht Post diese Spielart nicht zu Gesicht, gerade das zuckersüße "Chemical" gehört sicherlich zu seinen besseren Singles. Das Problem liegt jedoch darin, dass nach diesen ersten vier Songs der Witz im Grunde auserzählt ist. Der Rest des Albums nimmt die Blaupause dieser Titel und reproduziert sie lediglich in berechenbaren und weitaus weniger reizvollen Ausführungen. Die knapp bemessenen Laufzeiten und das getrimmte, chart-orientierte Songwriting, von dem ein Album wie "Beerbongs & Bentleys" durchaus profitiert, kollidiert hier mit Post Malones Ambitionen als Singer-Songwriter.
Keine Idee bekommt großartig Raum zu atmen, kein Instrumental darf in Ruhe auslaufen, kein Solo überhaupt erst aufkeimen, weil, so scheint es, Post Malones eigene musikalische DNA das verbietet. So sehr man ihm sein Investment in dieses Genre abkauft, so sehr legt "Austin" offen, dass es sich nur bedingt mit dem kommerziellen Erfolg verbinden lässt, den Malone weiterhin anstrebt. Anstelle ein ganzes Album im Sound des Openers oder "Green Thumb", das tatsächlich ein Risiko bedeutet hätte, bekommen wir die plastifizierte Imagine Dragons-Version davon ("Enough Is Enough") oder ganz seltsame 80s Dance Pop-Abwandlungen wie auf "Speedometer".
Das wird auch in den Texten deutlich. Eine solch ungeschönte Introspektion, wie sie der Albumtitel ankündigt und wie Malone sie auf dem Opener hinlegt, sucht man über die weitere Laufzeit der LP nämlich weitestgehend vergebens. Ja, er singt über die Schattenseiten seines Lebens, behandelt seinen Kampf gegen die Alkoholsucht und seziert verflossene Beziehungen, aber von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, dringt das nie zu einem gehaltvollen oder emotionalen Kern durch. Denn ja, Post Malone weiß, dass er Bindungsprobleme hat, von falschen Freunden umgeben ist und zu viel trinkt, aber er muss uns im selben Atemzug eben auch immer wieder vor Augen führen, dass er ein Rockstar-Leben führt, dass er Sex auf Jetskis hat und er sich nichts Schlimmeres vorstellen kann, als wenn das Bier alle ist.
Es hilft auch nicht, das sich inmitten dieser zumindest verletzlich-gemeinten Songs immer wieder Lyrics wie "I'm calling her Shrek cause she got a donkey", oder "Play that pussy like it's 'Für Elise'" einschleichen. Dieser Frat-Boy Humor, der ein Grundbestandteil von Malones Frühwerk war, könnte auf einem Album wie diesem kaum deplatzierter wirken. Das wirkt, als würde jemand einen Deine Mudda-Witz erzählen, nachdem er einem beichtet, dass er unter Alkoholismus leidet.
Die einzige wirkliche Ausnahme von dieser Kritik bildet jedoch der Closer "Laugh It Off", der wieder an die Ernsthaftigkeit des Openers anknüpft und den erneut etwas flachen Lyrics zum Trotz einen genuin schönen Abschluss für das Album darstellt. Hier fühlt sich das Instrumental mal nicht so an, als befinde es sich im Wachkoma, sondern traut sich gegen Ende ein regelrechtes Crescendo zu, das, man mag es kaum glauben, sogar so etwas wie Emotionen in einem weckt.
Schaut man sich den bärtigen Typen an, der da gelangweilt seine Jeans ins Poolwasser hängt, dann wirkt sein altes Ich, das 2016 als "White Iverson" mit Braids und Gold-Grills wie eine Ausgeburt aus Harmony Korines "Spring Breakers" daher kam, wie ein Fiebertraum. Wenn "Austin" eines beweist, dann dass Post Malone zumindest in seiner eigenen Wahrnehmung als Musiker gereift ist. Keines seiner Projekte klingt nach so viel Herzblut wie dieses, und keines zeigt ihn so bemüht, sich als vollwertigen Künstler zu präsentieren.
Doch unter all dieser seriösen Artistik versteckt sich ein musikalisch sehr langwieriges und zähes Konstrukt, dem es erstmals in Malones Diskografie nicht an Authentizität mangelt, dafür aber an dem Charisma und dem quirligen Esprit, der ihn 2016 für so viele so spannend machte. Egal wie er rückblickend zu seinen eigenen musikalischen Anfängen steht, in vielerlei Hinsicht läuft er ihnen bis heute hinterher.
7 Kommentare mit 4 Antworten
Das ist schon verrückt: Er war für mich völlig unsichtbar BIS er den einen Ring hatte. Nun sehe ich ihn plötzlich überall!
Zu „Stoney" Zeiten war er unantastbar. Konnte mich mit dem Genre Switch Richtung Rock nie anfreunden. Früher war Posty halt schon relativ unique im Rap Game heute klingt er wie die billige Kopie von Morgan Wallen. Und dass heißt schon was.
Wass denn?
Dass er ziemlich ziemlich tief gesunken ist
Du meinst das früher, wo er relativ unique war?
https://www.youtube.com/watch?v=d_NS9Vd1sM…
Immer weniger Anspieltipps auf den Alben. Hier ist nur Something Real geblieben.
Ich will den White Iverson Malone zurück.
Fr
Post Malone tatsächlich mein persönlicher Guilty Pleasure. Bs&Bs und Hollywood's Bleeding beides Banger-Alben. Mag diese Platte hier deutlich mehr als den Vorgänger aus dem letzten Jahr, einfach weil mehr Charakter. Kann aber auch nachvollziehen, was Leute daran nicht mögen. Ich hoffe, dass das hier nur ein Zwischenschritt zu einem Post Malone ist, der dann wirklich einen interessanten, poppigen Stil fährt.
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