laut.de-Kritik
Mehr als nur "A Whiter Shade Of Pale".
Review von Giuliano BenassiAls Newcomer gleich einen Riesenhit zu haben: Segen und ein Fluch zugleich. Ein Segen, weil man sich nicht lange mit der Unterwelt der Popmusik herumschlagen muss, sondern gleich als Held gefeiert wird. Ein Fluch, weil man dem schnell erlangten Erfolg gerecht werden muss und daran gemessen wird. Nicht umsonst gibt es den prägenden Begriff "One Hit Wonder".
Procol Harum so zu bezeichnen wäre unfair. Doch, Hand aufs Herz, wer kennt auf Anhieb andere Lieder von ihnen außer "A Whiter Shade Of Pale"? Wohl die wenigsten. Was nicht bedeutet, dass die Briten nichts zu bieten haben.
Schließlich waren sie nach ihrem größten Hit 1967 noch zehn Jahre lang fleißig und sind seit 1991 wieder unterwegs. In all diesen Jahren haben sie über 100 Stücke geschrieben.
Das liebevolle Londoner Label Salvo hat sich ihrer angenommen und die vorliegende üppige Retrospektive zusammen gestellt, die neben zwei CDs mit Studioaufnahmen, einer Live-CD und einer Live-DVD auch ein ebenso unterhaltsames wie akribisch recherchiertes Buch umfasst.
Allein deshalb lohnt es sich, ein paar Kröten auszugeben, schließlich bleibt die nett gestaltete Box immer noch bezahlbar.
Den Riesenhit gleich zu Beginn abgehakt, bietet die Sammlung allerlei Hörenswertes. Dabei entpuppen sich Procol Harum als eine Prog Pop-Band, in der Gary Brooker als Sänger am Flügel und Keith Reid als Texter die zentralen Rollen spielen.
Während der erste mit ständig wechselnder Begleitung die Studio- und Livetätigkeit auf sich nahm, hielt sich der zweite stets im Hintergrund.
Zu Flügel und geistreichen, wenn auch manchmal kryptischen Texten gesellen sich zu Bass und Schlagzeug E-Gitarren und eine prägende Orgel, die Procol Harum in die Nähe der Band rücken.
Brooker setzt aber eher auf Klassik als auf Folk. Deutlich zu hören in der Suite "In Held 'Twas In I" auf der ersten CD, die die eher experimentellen Stücke enthält.
Auf der zweiten Platte steht Brookers Flügel im Vordergrund, der sich durchaus zu klassischen Balladen hinreißen lässt.
Die größte Errungenschaft des Labels liegt aber darin, Liveaufnahmen aus allen Schaffensphasen zusammen getragen zu haben.
So finden sich auf der DVD ein schräger Auftritt in einem auf Grand Hotel getrimmten TV-Studio von 1974 ebenso, wie ein Gig beim Revival des legendären Isle Of Wight-Festivals 2006.
Procol Harum haben sich nie aus dem Schatten von Pink Floyd, King Crimson oder Emerson, Lake & Palmer gelöst.
Das liegt nicht nur an ihrem Material, sondern auch an den Umständen, mit denen sie zu kämpfen hatten. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit hätten sie verdient.
1 Kommentar
Leider ist es so genialen Musikern wie Matt Fischer oder Keith Reid nie ganz gelungen aus dem übermächtigen Schatten von Gary Brooker zu treten.
Dennoch hat die Band einige hervorragende Stücke produziert.
"Conqistador", "A Salty Dog", "Pandoras Box" oder auch "Homburg" finde ich allemal gelungener als die Edelschnulze " A Whiter Shade Of Pale".