laut.de-Kritik
"Das ist echt schrecklich für uns. Ich hoffe, ihr habt Spaß!"
Review von Michael Schuh"We're R.E.M. and this is what we do when you're not looking", lässt Michael Stipe die glücklichen Fans im Olympia in Dublin schon nach wenigen Songs wissen. Fünf Nächte lang spielte sich die berühmte US-Rockband im Sommer 2007 im legendären irischen Theater für das anstehende "Accelerate"-Album (2008) warm.
Langjährige Fans der Band dürften beim Blick auf die Tracklist die Taschentücher zücken: Die fürs Album gewählte Setlist ähnelt dem Sprung in eine Zeitmaschine. Wenn R.E.M. sowas wie zwei verschiedene Leben besitzen, dann wird hier das Alterswerk ohne Rücksicht auf Verluste ausgeklammert.
"Live At The Olympia In Dublin" listet haufenweise Uraltmaterial der frühen R.E.M.-Alben, garniert mit einigen frühen Versionen von "Accelerate"-Tracks und präsentiert sich unter Ausschluss sämtlicher Hits. Kein Wunder, dass gleich zu Anfang eine Stimme aus den Boxen knarrt: "This is not a show!" Nein, vielmehr eine öffentliche Probe. Oder einfach "die kürzeste Tour, die wir je gespielt haben" (Stipe).
Mit der erst zwei Jahre alten Scheibe "Live" hat dies hier also mal überhaupt nichts zu tun, selbst wenn die kurioserweise auch aus Dublin stammte. "Everybody Hurts"? "Man On The Moon"? "Losing My Religion"? Schauen Sie bitte im CD-Fach bei den Best Of-Alben nach.
Stattdessen: Die Band in der Blüte ihrer allseits ignorierten Jugend. Massig Songs aus den I.R.S.-Jahren ("Romance", "Cuyahoga", "Second Guessing"), alte Rohdiamanten ("Feeling Gravity's Pull"), ein paar feine Albumstücke aus den 90ern ("Circus Envy", "Electrolite") und obendrein noch unveröffentlichte Stücke ("Staring Down The Barrel Of The Middle Distance", "On The Fly").
Neben dem sehr guten Sound, für den der spätere "Accelerate"-Producer und gebürtige Dubliner Jacknife Lee einstand, ist die Band auch noch top aufgelegt.
Vor allem der notorisch zurückhaltende Sänger wächst bei manchen Ansagen geradezu über sich hinaus. "Das nächste Lied ist einfach, ich kenne sogar die Worte", scherzt er vor "So. Central Rain", einem Song des zweiten R.E.M.-Albums "Reckoning" von 1984. An anderer Stelle erzählt er ausgiebig von seinem Großvater oder lästert über Internet-Suchmaschinen.
Trotz aller guten Eindrücke erinnert sich Gitarrist Peter Buck nicht ohne Schaudern an die Konzerte zurück: "Da wir sowas nie vorher gemacht hatten, war es unmöglich, im Set mal zu relaxen. Jede Sekunde spielten wir irgend etwas, das wir nicht genau kannten. Was aber auch eine gute Seite hatte. Die Show trug eine Menge Terror-Elemente in sich".
Was sich auch an gewissen Ansagen Stipes ablesen lässt: "Das ist jetzt echt schrecklich für uns. Ich hoffe, ihr habt Spaß", kündigt er "Kohoutek", einen Song von "Fables Of The Reconstruction" an, der in England aufgenommenen '85er Platte, die die Band viele Jahre als Lieblingsalbum anführte.
Überrascht ist man letztlich vor allem von zwei Dingen: Wie harmonisch sich die ungestümen, neuen "Accelerate"-Tracks doch den Indie-Ursprüngen der aus Athens/Georgia stammenden Combo anschmiegen. Und wie unprätentiös hier eine Band ihre reiche Vergangenheit hochleben lässt, die so viel mehr zu bieten hat als nur die Hitalben "Out Of Time" und "Automatic For The People".
14 Kommentare
AC/DC sollten mal so ein Album rausbringen^^
Für Fans sicher ne gute Sache wobei ich denke dass Gelegenheitshörer damit nichts anfangen können.
ich bin zwar kein großer rem fan, aber die idee fänd ich super, für fans ne schöne sache, da auch ich immer live versionen von "unbekannteren" songs meiner lieblingsbands suche und leider nicht immer finde
Also ich halte R.E.M. sowieso für eine der besten live Bands!!
Und auch ich finde es super mal live nicht immer die selben"Klassiker" zu spielen sondern auch mal weniger beachtete Songs.
Werde mir die Platte heute zulegen...
echt?
ich habe immer das gefühl, es habe ihn eher befreit und diese fast schon greifbare komplexbeladenheit gelindert.
@dein_boeser_Anwalt (« echt?
ich habe immer das gefühl, es habe ihn eher befreit und diese fast schon greifbare komplexbeladenheit gelindert. »):
ich weiß nicht wieviel echte komplexbeladenheit und wieviel show seine damalige "nerdy-ness" war, vielleicht beides und er hat es damals umgemünzt in sein showgebaren, aber das auf geniale und (fast) einzigartige weise, diese genialität ist für mich jetzt durch seine rockstar-normalo-poserei verlorengegangen (okay, vielleicht liegts ja auch am alter, das exaltierte rumgehüppe geht eben mit 40+ nich mehr so dolle ... )
wir stellen fest
fuer jeden was dabei eigentlicvh, oder