laut.de-Kritik
Die Ehrenrunde überschreitet den Zenit.
Review von Dominik Lippe"Vielleicht ist bei mir bald vorbei, doch bei euch hat es niemals begonnen." RAF Camora sammelte in der vergangenen Dekade mit einer Mischung aus Dancehall und Afrotrap Fanmassen, Edelmetalle und Fantastilliarden Klicks. Doch dieses musikalische Kapitel möchte er allmählich schließen. Mit "Zenit" erschien im November sein letztes Album, das sich sowohl den schönen Seiten des Starlebens widmete als auch in Stücken wie "Resumee Rabe" mit Tiefgang punktete. Bevor er seine Kunstfigur nun endgültig zu Grabe trägt, legt er die Ehrenrunde "Zenit RR" ein.
Auf dem Weg zum Ausgang ruft RAF Camora sicherheitshalber noch einmal "Bin Weg" über seine Schulter zurück. Zur Einstimmung zeichnet er den Rückweg vom Rampenlicht in private Gefilde nach: "Such' nach ander'n Galaxien und land' wieder in Wien." Auf seine charakteristischen Stimm-Modulationen und Ausrufe verzichtet er zwar nicht, doch die Atmosphäre kommt eher nachdenklich als feierlich daher: "Ich scheiß' auf ihre Partys und auf ihre Cocktails." Die große Sause hat ihr unabwendbares Ende gefunden: "Mich interessiert kein Comeback."
Doch dann geschieht das Unerwartete: RAF Camora wechselt sich selbst von der Seitenlinie wieder ein. "Erst kam Platinum, jetzt kommt Diamant", skizziert er bereits die nächsten Wegmarken. Dazu zelebriert er Blunts, Markenprodukte und küstennahe Urlaubsparadiese: "Es geht voran. Wir sind immer noch hier, Gott sei Dank." Zum tanzbaren "Palmen-aus-Plastik"-Sound gesellt sich folgerichtig Bonez MC, der penibel seinen Markenkern pflegt ("Die Hure macht Stress"). Neben Ufo361, einem weiteren ehemals Zurückgetretenen, gibt er sich dann wieder asketisch: "Nie tanz' ich im Club."
Da der deutschsprachige Hip Hop bereits jedem Automobilhersteller – abgesehen von Dacia – dutzende Songs gewidmet hat, müssen die Werbebotschafter der Industrie nun auch die einzelnen Modelle abarbeiten. Kollegah besang etwa auf "Zuhältertape Vol. 4" den Testarossa. Nun schüttelt RAF Camora die ärmliche Vergangenheit ab ("Hatte nichts, war im VW"), um ein anderes italienisches Statussymbol zu promoten: "Ferrari, fahr' 488 Ferrari." Nur zwei Songs nach "FEFE 488" pocht er an der Seite von Bausa in "Flex" auf ein bodenständiges Leben: "Mal Audi, mal Opel, mir scheißegal."
Die Gästeliste fällt wenig überraschend aus. Bausa stellt selbstredend einen natürlichen Verbündeten dar. Kontra Ks Beteiligung in "Gewarnt" erscheint als Balsam für die Ohren, auch wenn er wohl die eine oder andere Zeile Glückskeksen entnommen hat ("Die Besten sterben jung, doch die Hoffnung stirbt zuletzt"). Der sonst eher für einen ungeschliffenen Stil bekannte KC Rebell fügt sich erstaunlich gut in "OK OK" ein. Sympathisch weist der Rapper seinen eigenen Part als harmlosen Ulk aus: "Pass mal auf, du kleiner Bastard. Ich hab' Parmesan auf meiner Paste."
Weniger Wohlwollen ruft der Hauptakteur im selben Song hervor, wenn er mit abenteuerlichem Satzbau erklärt: "Hab' Ferrari hart verdient, was für leih mir den?" Wie "OK OK" setzt auch "Lento" auf ein Spieluhr-Instrumental. Verpackt als beschwingte Pop-Nummer mit Ahmad Amin im Refrain verkündet RAF Camora wenig manierlich: "Vergiss nicht, wer ich bin. Du wirst gefickt, also Win-Win. Schrei' meinen Namen, wenn ich drin bin. Doch wenn ich abhau' im Fefe, vergiss ihn." Neben dem gebürtigen Schweizer ist King Orgasmus One ein zuvorkommender Gentleman vor dem Herrn.
"Mein Name, er wurde Legenda. In diesem Geschäft bin ich Schwergewicht." RAF Camoras kommerzieller Erfolg bleibt nach wie vor atemberaubend, doch künstlerisch hat er mit der Zugabe zu seinem Zenit selbigen überschritten. Wie er mit seiner musikalischen Laufbahn weiter verfährt, scheint ihm selbst nicht ganz bewusst zu sein. Zumindest lässt er sich selbst eine Hintertür offen, wenn er im abschließenden "Wer Weiß Schon" Gallo Nero singen lässt: "Wer weiß schon, was der Morgen bringt, wenn ich nicht mal weiß, was gestern war?"
10 Kommentare mit 7 Antworten
ungehört 1/5
RAF soll bitte aufhören. Die Feature-Liste verdeutlicht die Wackness vergangener Jahre.
Ja juckt...Wo bleibt die Rhymin Simon Review?
Taugt?
Taugt. Trotz über einer Stunde Spielzeit nicht langweilig geworden, manche richtig gute oneliner, zweiter Teil ist nen ganz schöner Downer.
1/5 weil Scheisse!
Ich glaub Dominik Lippe riskiert eine dicke Lippe.
Sprach der Rabe (zu raf Camorra)...: Friss meine Shorts