laut.de-Kritik
Die Fascho-Police empfiehlt Ganja für den Weltfrieden.
Review von Benjamin FuchsDie Cover-Collage lässt es vermuten: Hier will eine Band das Maul aufreißen. Der Raggabund wird gegen Krieg, Medienoverkill, Geld und Großstadtbeklemmungen wettern. Darüber, dass die Welt, in der wir leben reich an Überfluss und arm an Menschlichkeit ist. Soweit so gut, nichts besonderes. Die Frage bleibt, wie sie ihre Kritik auf dem Debüt, das "Erste Welt" heißt, umsetzen: solide und begleitet von einer Menge Latinrhythmen und relaxter Riddims.
Zu Beginn legt der Raggabund ordentlich los. "Militär" beginnt mit verzerrten Funkgeräten, Sirenen und einer Explosion. Der dicke Beat brennt, der Text fließt fast hypnotisch und inhaliert Rhythmus. Guter Auftakt. Gleich im Anschluss patrouilliert die Fascho-Police etwas entspannter gegen Intoleranz und Engstirnigkeit. Solide, allerdings muss sich der Inhalt von "Fascho Funk" der Musik unterordnen. Hier geht es kaum über populäre Slogans hinaus.
Raggabund sind keine Neulinge im Musikgeschäft. Das Quartett besteht zur Hälfte aus dem Produzentenduo Sasha und Dungee, das sonst unter dem Namen Rumford firmiert. Die anderen beiden - die Brüder Caramelo und Criminal - zeichnen für die Lyrics verantwortlich und haben schon ein Album mit dem Silly Walks Movement auf dem Kerbholz. Außerdem ist Caramelo Sänger bei Les Babacools. Ein routiniertes Team, dem die Reime nur so aus dem Mund rinnen. Man hört, dass Könner am Werk sind.
Klischeehaft und ein wenig platt kommt dennoch der musikalisch reduzierte Akustikklampfen-Track "Ganjatherapie" daher, in dem die Sänger George W. Bush und Tony Blair einen dicken Joint verordnen. Es wirkt ein bischen einfallslos - wie Kifferromantik eben: Kiffen = Entspannung = nie wieder Krieg. Man kennt den Argumentationsstrang von langen Nachmittagen auf dem Jugendsofa. Nüchtern betrachtet, macht er aber kaum Sinn. Musikalisch gibts hier nichts auszusetzen.
Der entspannte Reggaeton "Babygirl" hat dagegen nichts mit Gesellschaftskritik am Hut. Von der Atmosphäre her erinnert es ein wenig an Culcha Candela. Absolut sonnig. "Nur Liebe" ist dagegen der Versuch einer Bestandsaufahme der Gesellschaft. "Sie brauchen doch nur Liebe, doch sie kriegen 40 Kanäle, einen Urlaub pro Jahr und einen Computer". Hat was, denkt man instinktiv und überlegt beim Blick aus dem Fenster, was man abends im Fernsehen schaut und welche Pizza man sich dazu reinzieht. Ob es aber tatsächlich so einfach ist?
Raggabund liefern letztlich eine musikalisch ordentliche und abwechslungsreiche Platte ab. Dancehall teilt sich den Silberling mit Reggaeton und rootsigen Tunes. Textlich überzeugen Caramelo und Criminal nicht durchgehend, machen es sich mit ihren Aussagen aber manchmal auch zu einfach. Was natürlich überhaupt nicht in Frage stellt, dass sich der Gesang absolut ins Ohr fräst, und die Reime auf den Punkt kommen. Eine runde Sache.
Noch keine Kommentare