laut.de-Kritik

Eine traumhaft schöne Frechheit.

Review von

"Pairing Mode connected", teilt eine metallische Computerstimme mit. *Fiiieeep*

Huch! Sind wir schon drin?

Scheint so. Warme Pianotöne schweben durch den Raum, überlagert von ein wenig Rauschen und Knistern, darüber schwebt der gehauchte, zugleich fragil und kraftvoll anmutende Gesang Ray Lozanos. "I'm ready for new beginnings", erklärt sie, praktisch, denn, schwupps ...

... stehen wir bereits mittendrin im etwas traditioneller gestrickten R'n'B von "Velvet Blue", und noch ehe man sich da zurechtgefunden hat, hämmert der ungleich härtere Beat von "Headspace" in ebendiesen. "Help me, help me, somebody help me", fleht Ray Lozano, und auch ihre Hörer*innenschaft könnte ein wenig Beistand gut gebrauchen. Was um alles in der Welt hören wir denn da?

"'Pairing Mode' besteht aus zwölf musikalischen Kurzgeschichten über Einsamkeit, Veränderung und Sehnsucht", gibt die deutsch-philippinische Sängerin ihrem Werk als Erklärung bereitwillig mit auf den Weg. Dabei benennt sie versehentlich auch gleich das Problem: Die Geschichten sind kurz.

Oh, sie sind so verdammt kurz, dass man es zu Beginn vielleicht noch spannend findet, von einem Songbruchstück ins nächste und direkt weiter ins übernächste geschmissen zu werden. Spätestens nach der halben Laufzeit packt einen aber der nackte Zorn.

Warum nur? Warum machen sich Ray Lozano und ihr Co-Produzent, der begnadete Samon Kawamura, die Mühe, detailreich und kunstvoll fantastische Atmosphären zu kreieren, die wie Seifenblasen einen Augenblick lang schillern, und dann lassen sie sie einfach zerplatzen - bitzzz! - als wäre gar nichts gewesen? Warum?

Eine Minute gönnt das Team Lozano/Kawamura sich und seinem Publikum jeweils, lockt mit leiser, aber angenehmer Melancholie und Heimeligkeit, nur um einen wieder, wieder und wieder unmittelbar per Fußtritt vor die Tür zu komplimentieren. Das ist doch nicht fair!

Eigentlich möchte man baden in dieser feenhaften Stimme, die hin und wieder, etwa in "Behind Bars", auch verblüffend nah an Rap herankommt. Man möchte Mäuschen spielen, auf dem Parkplatz, und zusammen mit Ray Lozano in den Nachthimmel der "Amsterdam Nights" gucken. Man möchte genießen, wie der Beat von "Typhoon" wie satte, schwere Wassertropfen von den Blättern tropischer Pflanzen tropft, möchte die Rückwärtsbotschaften in "Uninvited Guest" entschlüsseln. Für nichts davon lässt einem "Pairing Mode" genügend Zeit.

"Summer Thing", das es immerhin auf eineinhalb Minuten bringt, hätte locker alles, das es braucht, um Massive Attacks "Teardrop" zu beerben, nur eben keine Zeit, um seine volle Wirkung zu entfalten. Der längste "Track", "Better Off", bringt es noch nicht einmal auf zwei Minuten.

Gerade weil die Songskizzen durch die Bank grandios geraten, frustriert der fragmentarische Charakter von "Pairing Mode" bis auf die Knochen und noch tiefer, bis ins Mark. Wer derart stimmungsvollen, atmosphärisch dichten, berückende Ruhe verströmenden R'n'B ersinnen kann, sollte wirklich so viel Anstand haben, wenigstens jede zweite Idee zu einem richtigen Song auszubauen.

Stattdessen lassen uns Ray Lozano und Samon Kawamura mit einem Haufen toller Schnipsel einsam im Regen stehen. Ja, sie glitzern wirklich hübsch. "Musikalische Polaroid-Bilder", nennt Ray Lozano das, Momentaufnahmen ihrer Stimmung habe sie machen wollen. Nennt es meinetwegen akustisches Konfetti, ich nenn' es eine Frechheit.

Trotzdem: Danke dafür, es war wunderschön. *Fiiieeep* "Disconnected."

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Push Me
  3. 3. Velvet Blue
  4. 4. Headspace
  5. 5. Unsynchronized
  6. 6. Behind Bars
  7. 7. Amsterdam Nights
  8. 8. Body
  9. 9. Blue Monday
  10. 10. Typhoon
  11. 11. Uninvited Guest
  12. 12. Better Off
  13. 13. Summer Thing

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