laut.de-Kritik
Stoner-Rap mit einem Hauch von Konzept.
Review von Yannik Gölz"I just wanna be me" resümiert Rejjie Snow auf dem Schlusstrack seines zweiten Albums. Radikale Erkenntnis, aber so weit so gut: Der irische MC bleibt vielschichtig. Ein bisschen Odd Future, ein bisschen Chance The Rapper, ein bisschen Pharrell Williams, die Menge an Einflüssen und Genres, die man seiner neuen Platte zuschreiben kann, bleibt so variabel wie die des Vorgängers "Dear Annie".
2018 hat er dort seine Einflüsse zu einem ambitionierten, wenn auch etwas chaotischen Hip Hop-Musical zusammengetragen. Aber statt seinen reichhaltigen Vorschusslorbeeren Genüge zu tun, behält "Baw Baw Black Sheep" das Chaos, ohne an den Ambitionen zu arbeiten.
Die Ambitionen sind deshalb nicht weg; sie laufen dieses Mal nur noch fransiger auseinander. In den vierzig Minuten Spielzeit passiert so allerhand: Eine kindliche Stimme, die Rejjie als "Little One" adressiert, moderiert wahllos ein paar Songs an. Er selbst behauptet, dieses Album wäre seine Neu-Interpretation von Charlie und die Schokoladenfabrik. Das Cover sieht dunkel aus, referenziert ägyptische Mythologie. Die Songs spannen mit teilweise klaffenden klanglichen Gräben zwischen Neo-Soul, BoomBap, Pop-Rap und Disco, die Lyrics handeln größtenteils von überhaupt nichts. Klingt wirr? Ist es auch.
Das ist schade, weil die Qualität der einzelnen Songs weiterhin absolut überzeugt. Die Produktion hält sich zumeist nah an modernen Chicago-Jazz-Rap-Abkömmlingen und gibt neben ein paar schönen Synth-Grooves vor allem detailverliebte, liebevoll gewebte Drumgrooves. Songs wie "Obrigado" oder "On And On" strotzen nur so vor fantasievollen, funky Percussion-Elementen. Aber auch auf reinem Hip Hop-Grind funktioniert das Ding. "Relax" macht simple Hook, entspannter Sechzehner, besonders tut sich das MF Doom-Feature "Cooke Chips" hervor. Auf den ersten Songs bringt das Tape eine Ästhetik an den Start, die zwischen Kinderbuch und Stoner-Höhle landet und das ziellosse Gespitte der beiden MCs perfekt trägt.
Dieser Vibe geht später in etwas inkohärentere musikalische Ideen über. "Disco Pantz" bringt mit Group Therapy und Tinashe ein richtiges Pop-Highlight an den Start, das Rejjies Händchen für geschmackvolle und unpompöse Pop-Fusionen präsentiert. Die Grooves: Unantastbar. Wenn "Baw Baw Black Sheep" eine fundamentale Stärke hat, dann ist es Sound. Das Zusammenspiel von Rap und Gesang, die gestaffelten und sich sinnvoll entwickelten Instrumentale, die durch die Bank soliden bis sehr guten Refrains: Das macht alles Spaß.
Ein bisschen ironisch, denn so bleibt das Album genießbar, aber aus keinem der Gründe, den es eigentlich angepeilt hat. Wenn man "Baw Baw Black Sheep" als ein Storytelling-Projekt verstehen möchte, geht es sang- und klanglos unter. Rejjie bewirft den Hörer mit halb-ausgegorenen Ideen, meist ohne sie in irgendeiner Richtung in die Tiefe zu entwickeln oder zu Ende zu denken. Die Konzeptrahmen bringen nichts zusammen, wirken eher wahllos obendraufgeklebt. Dazwischen geht es thematisch wie Kraut und Rüben durcheinander. Im einen Moment redet man auf warmen Sounds Nonsens, dann geht es um Drogenkonsum, dann erzählt ein Dichter über blackness und Sichtbarkeit, dann geht man in die Disco, und immer wieder erzählt diese nervige Kinderstimme unzusammenhängenden Blödsinn dazwischen.
Rejjie bietet hier insgesamt Ideen dar, wie ein Stoner brainstormen würde. Die Ideen sind zu cool, um über die Umsetzung nachzudenken, am Ende bleibt die Arbeit am Hörer kleben, all diese losen Enden irgendwie zu verknüpfen. "Baw Baw Black Sheep" wirkt wie ein wahlloses Konglomerat von Hip Hop-Tropen, die Kritiker in den letzten Jahren gut fanden. Rejjie selbst erzählte, dass er im Entstehungsprozess der Platte ziemlich viel high war. Und dank farbenfroher Klangpalette und verdammt gutem Sound gibt dieses zweite Album wohl auch wunderbare Musik zum Kiffen her. Aber bei all dem Potential, das Rejjie zunächst gezeigt hat, hätte man doch etwas mehr erwarten können als nette Stonerabend-Untermalung.
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