laut.de-Kritik
Der swingende Weird Al Yankowicz verpasst Weihnachten.
Review von Mathias MöllerAls Anfang Dezember "Silent Nightclub" in die Redaktion flatterte, war für mich klar: Richard Cheese veröffentlicht seine swingenden Parodien jetzt auch zur Weihnachtszeit. Doch Richard Cheese ist bekloppt, und so kommt sein sechstes Album erst einen Monat nach dem Fest der Liebe auf den Markt. Weihnachtslieder Ende Januar? Warum nicht? Lebkuchen gibts doch auch schon im September!
Den Anfang macht "Holiday In Cambodia" von den Dead Kennedys, in einer swingenden Version mit einem "Jingle Bells"-Intro. Da kommt Festtagsstimmung auf! Ebenso feierlich wird Madonnas "Like A Virgin" durch den Bigband-Wolf gedreht. So sehr man auch schmunzeln mag bei den betont spöttisch dargebotenen Coverversionen, so sehr muss man dem Dick zugestehen, dass er seine Persiflagen gekonnt und überlegt inszeniert.
Zwischen Madonnas Klassiker und einer kurzen Intonation von "Jingle Bells" beschreibt Cheese "Christmas In Las Vegas": "It's Bethlehem with bling!" Seine Ansagen zwischen oder während der Stücke erwecken den Eindruck einer Livedarbietung (die übrigens großartig sein muss). "Jingle Bells" wird dann kurzerhand gebellt, bei dieser Gelegenheit wünscht der Showmann dem Juden ein "Happy Hannukah". Auch dafür ist es Ende Januar etwas spät.
Cool und smooth kommt Vanilla Ices "Ice Ice Baby" daher, ein Lachen kann man sich hier schwerlich verkneifen, denkt man an den hyperaktiven weißen Rapper zurück. Word to your mother! Flott swingend tappen die Füße dann wieder zu einer grandiosen Variante von "Do They Know It's Christmas". Von karitativer Festtagsbetroffenheit keine Spur, stattdessen Spaß unterm Weihnachtsbaum. Die Bigband legt sich bei "Personal Jesus" voll ins Zeug, Cheese hechelt und croont, dass es eine Freude ist.
Auch Lennons "Imagine" macht auf einmal Spaß, vom utopistischen Zeigefinger keine Spur mehr. It's easy, if you try! Und wenn der Sänger im Tigerjackett auch noch anfängt zu jodeln, gibt es bald kein Halten mehr. "Last Xmas" fällt danach aus, denn: "It sucks!" Da ist die Interpretation von Beyoncés Hit "Naughty Girl" doch viel sexier. Auch "Christmas Time Is Here" aus dem Film "A Charlie Brown Christmas" von 1965 geht mächtig in Hüfte und Beine.
Zum Schluss verhackstückt Cheese noch äußerst liebevoll Rush ("The Trees") und Modern English, deren "I Melt With You" auch schon von diversen Punkbands gecovert wurde. Der gute Richard, selbst so etwas wie ein Punk unter den Swingern, schließt den stillen Nachtclub mit einem wilden und gar nicht stillen "Silent Night". Diese Platte gehört 2007 unter jeden Weihnachtsbaum, dann sind die saisontypischen Familiendramen im Nu vergessen.