laut.de-Kritik
Was zur Hölle ist denn ein Venusschrei?
Review von Michael EdeleLange war es ruhig um Riefenstahl. So wie sich die Jungs vor und nach der Veröffentlichung von "Seelenschmerz" ins Zeug legten, hätte ich viel früher mit einem zweiten Album gerechnet. Allerdings machten ihnen die altbekannten Spielchen und Schachereien im Musicbiz einen Strich durch die Rechnung, weswegen die Band einigen Ärger erleiden musste.
Ohne sich davon beirren zu lassen, spielten sie auf eigene Faust nicht nur ihre zweite Scheibe "Instinkt" ein, sondern organisierten auch ein Festival gegen Kindesmissbrauch, was meines Wissens noch keine Band zuvor getan hat. Doch kommen wir zu "Instinkt" und dem, was sich Sänger Jens und seine Sidekicks haben einfallen lassen. Das ist soundtechnisch ein deutlicher Schritt nach vorne und der Opener "Es Ist Vorbei" macht direkt ordentlich Druck und Laune. "Augen Auf" ist auch keine schlechte Nummer, allerdings klingen die Raps nicht so wirklich flüssig. Dennoch hat der Song eine starke, etwas bedrückende Atmosphäre.
Musikalisch sind die Niedersachsen nicht ganz so weit von Godsmack weg. Allerdings machen es einem Jens' Formulierungskünste ab und an doch ungewöhnlich schwer. So fehlt "Ein Wort Von Dir" irgendwie das nötige Maß an Poesie. Überhaupt lassen mich die Texte oftmals etwas hilflos zurück, weil ich schlicht und ergreifend keine Ahnung habe, was mir Jens mit seinen Worten sagen will. Was zur Hölle ist denn ein "Venusschrei"? Sowas wie ein Brunftruf bei Frauen? Wie dem auch sei, musikalisch muss ich dabei einmal mehr an Warpath denken.
Das folgende "Mit Brennender Wut" ist ein guter Song, aber die Intonation von Jens und auch seine Wortwahl lassen einen immer wieder stutzen und verhindern, dass man voll in den Song eintaucht. Stellenweise hat das was von Yoda-Deutsch ... Das ist bei "Die Zeit Heilt Nicht Alle Wunden" zum Glück nicht der Fall. Der Track übt recht deutliche Kritik, wie man es von Riefenstahl kennt. Dabei bilden die hart bratenden Gitarren einen interessanten Kontrast zu der vereinzelt einsetzenden Klaviermelodie.
Es scheint fast so, als hätte das Quartett die stärkeren Songs für die zweite Hälfte aufgespart, denn mit "Wenn Ich Wiederkomm" folgt mein Favorit. Nach ruhigem, etwas sperrigem Beginn, entfaltet das Lied eine atmosphärische Dichte. Dabei zeigt sich sehr schön, dass Jens über eine recht einzigartige Stimme verfügt. Dem steht das fast schon charttaugliche, ein wenig an Life Of Agony erinnernde "Es Tut So Weh" fast in nichts nach. Auch dass sie in "Lass Mich Nicht Allein (War For Peace)" mal ihre ganze Wut über die Absurditäten des Kriegs herauslassen, schadet nicht.
Während bei "Kalter Traum" musikalisch wieder Jens' Vorliebe für Godsmack durchscheint, muss ich beim abschließenden "Dein Weg" leider wieder an einen kleinen, grünen Kerl denken, der sich durch fünf Star Wars-Filme radebrecht. Wie dem auch sei, "Instinkt" ist ein durchaus gutes Album geworden und wer sich an der ein oder anderen krummen Formulierung und an kräftig Pathos nicht stört, sollte mal ein Ohr riskieren.