laut.de-Kritik
Toller Auftritt, lustige Videos und Bohlen-Bashing.
Review von Joachim GaugerZu dem hier vorliegenden Konzert muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Die Veröffentlichung der Audiospur auf CD liegt bereits einige Jahre zurück, und zumindest unter Reiser-Fans dürfte sich herumgesprochen haben, dass diese Aufzeichnung des DDR-Fernsehens aus der Werner Seelenbinder-Halle in Ostberlin ein seltener Glücksfall ist. 1988, im Jahr des Konzertes, wurde Reiser längst als eigenständiger Musiker wahrgenommen, hatte er sich endgültig von den Ton, Steine, Scherben freigeschwommen.
Auf der anderen Seite ist von körperlichem Verfall noch nichts zu spüren - kurz: Reiser scheint nicht nur in bester Verfassung und geistig absolut auf der Höhe zu sein, er strotzt auch geradezu vor Selbstbewusstsein. So mitreißend agierte der Entertainer 1988, dass ein gut Teil seiner Energie selbst in der Glotze noch rüberkommt und man die Schwankungen bei der Aufnahme-Aussteuerung und die einfallslose Bildführung gerne in Kauf nimmt.
Leider enthält die DVD nur 15 der insgesamt 24 Tracks des Konzertes, was zum Teil wohl auf das Konto der DDR-Zensoren geht. Die ergreifende und natürlich für die DDR-Oberen völlig unerträgliche Version von "Der Traum Ist Aus", bei der das ostdeutsche Publikum im Refrain die Zeile "nicht in diesem Land" betonte, ist glücklicherweise trotzdem zu hören. Nur leider eben nur als Bonus-Audiotrack, weil das Bildmaterial wohl für immer verloren ist.
Ebenso historischen Wert darf man der Dokumentation und vor allem dem Interview zuschreiben, das das DDR-Fernsehen anlässlich des Konzertes führte. Da erfährt man einiges über Reisers Selbsteinschätzung, und an der Art, wie er mit Kritik umgeht, zeigt sich charakterliche Größe.
Angesprochen auf die alten, verbohrten Scherben-Fans, die ihm Ausverkauf vorwerfen und ihn wegen seiner Balladen und Liebeslieder Schlagerfuzzi schimpfen, wehrt sich der Berliner zwar - aber nicht, ohne Verständnis für seine Kritiker zu zeigen: schließlich sei es durchaus üblich, dass jemand für Geld seine Seele verkaufe, weshalb man nicht misstrauisch genug sein könne. Nebenbei erfährt man noch, dass Bohlen den Intellektuellen schon länger als gedacht als Fußabstreifer dient - auch wenn Rio nicht einmal dem Tötensener wirklich böse sein kann.
Eine Fußnote der Musikgeschichte - wie übrigens auch die hier versammelten Videos. Auch wenn Rio die fehlenden technischen Möglichkeiten mit detailverliebtem, fast kindlichem Enthusiasmus bei der Inszenierung teilweise wettmacht - dieses Medium steckte zu seinen Zeiten halt noch in den Kinderschuhen.
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