laut.de-Kritik

Zeitreise auf höchstem Niveau.

Review von

Ob es so etwas wie Retro-Rock nun wirklich gibt, sei mal dahingestellt. Falls ja steht allerdings fest: Rival Sons sind dessen Inbegriff. Led Zeppelin, Black Sabbath, Deep Purple – niemand ist vor den Kaliforniern sicher. Anstatt schamlos zu kopieren, verwurstet das Quartett jedoch die klassischen Einflüsse und schafft sich seinen eigenen Sound. Den präsentiert es Album für Album in bestechender Qualität.

So auch auf "Great Western Valkyrie". Das Problem ist zwar, dass Rival Sons stellenweise fast zu sehr in Nostalgie schwelgen und ihre Scheiben im Jahr 2014 irgendwie deplatziert wirken. Doch was sie musikalisch zu bieten haben, lässt großzügig darüber hinwegsehen. Statt zu motzen begibt man sich lieber mit auf Zeitreise.

Insbesondere dann, wenn ein so delikates Riffs wie das von "Electric Man" den Rücktransport einläutet. Mit herrlichem Overdrive ausgestattet, groovt sich Scott Holiday durch den Opener und gibt, unterstützt von einer wabernden Orgel, die Marschrichtung für die kommende Dreiviertelstunde vor.

Jay Buchanan erweist sich erneut als einer der besten Sänger der heutigen Rockszene und Idealbesetzung für den Mikroposten der Formation aus Long Beach. Er beherrscht Robert Plant-Gesten im Schlaf ("I'm gonna show you how babies are made"), reagiert genauso selbstbewusst auf Vorlagen der Saitenfraktion und ist vielleicht sogar noch einen Ticken vielseitiger als der Altmeister.

Durch Buchanan erhält die Musik außerdem einen zusätzlichen Blues-Boost. Reminiszenzen in Richtung Joe Bonamassa drängen sich nicht nur dank der Instrumentierung auf. Ein weiterer Bluesrocker der jüngeren Generation schimmert gemeinsam mit Elvis in "Good Luck" durch: Das Hauptriff erinnert von Rhythmus und Feeling sehr an Kenny Wayne Shepherds "Never Looking Back" - und macht mindestens genauso viel Spaß.

Um gleich mal im Namedropping zu verweilen: Blinkt bei noch jemandem sofort der Name Screamin' Jay Hawkins auf, wenn er "Destination On Course" hört? Nicht nur deswegen ist der Song ein Highlight der Platte. In der zweiten Hälfte mutiert das Stück zur Jam-Orgie und dürfte live wohl erst so richtig aufblühen.

Dass Rival Sons nicht nur volle Pulle aufs Gaspedal treten können, sondern gerne auch mal einen Gang runterschalten, beweisen sie unter anderem mit "Where I've Been": eine bluesige Sehnsuchtsballade mit Souleinschlag, obligatorischem Solo-Höhepunkt und traditionellem Refrain-Ausklang. Klischeehafter geht es kaum, doch die Truppe serviert ihr Material auf derart hohem Niveau, dass selbst dreißig oder vierzig Jahre alte 'Originale' vor Neid erblassen.

Das Hauptaugenmerk liegt selbstverständlich auf tanzbaren Heavy 70s Rock'n'Roll-Hymnen. Auf diesem Gebiet ist auch der bis dato vielleicht beste Rival Sons-Song "Play The Fool" zu verorten. Mit lässig-cooler Rockstar-Attitüde "uuuhhht" sich Buchanan durch den Track, dirigiert abwechselnd Drums und Sechssaiter, bevor diese unvermittelt den Spieß umdrehen, selbst die Führung übernehmen und in einem kurzen, prägnanten Solo gipfeln.

Zählten Rival Sons bislang trotz rasantem Aufstieg noch immer als Geheimtipp, könnte sich das mit "Great Western Vakyrie" endgültig ändern. Auf großen Bühnen fühlen sich die Amis dank diverser Support-Engagements (AC/DC, Judas Priest) inzwischen ohnehin ziemlich wohl. Die Songs, die dieser Größenordnung angemessen sind, finden sich auf Album Nummer vier reichlich. Selbst wenn der ein oder andere Abklatsch-Vorwurf aus dem Publikum erschallen sollte, bleibt festzuhalten: Rival Sons könnens einfach und sind derzeit wahrscheinlich das Beste, das die sogenannte Retro-Schiene zu bieten hat.

Trackliste

  1. 1. Electric Man
  2. 2. Good Luck
  3. 3. Secret
  4. 4. Play The Fool
  5. 5. Good Things
  6. 6. Open My Eyes
  7. 7. Rich And The Poor
  8. 8. Belle Star
  9. 9. Where I've Been
  10. 10. Destination On Course

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2 Kommentare

  • Vor 10 Jahren

    Ich stimme zu! Wieder mal ein total gelungenes Album der Kalifornier, mit dem sie vielleicht sogar den Vorgänger "Head Down" toppen.
    Hervorheben muss ich aber noch "Good Things" und "Rich and the Poor". Wurden in der Kritik nicht berücksichtigt. Meiner Meinung nach zwei Songs, die so richtig daher grooven und nochmal herausstechen.
    Super Pladde!

  • Vor 10 Jahren

    Kann der Rezension auch nur zustimmen, mit der Ausnahme, dass "Good Things" meiner Meinung nach der beste Track ist. Letztendlich spielt das aber bei der Vielzahl an guten Stücken kaum eine Rolle. Super Scheibe! Selbstverständlich das grüne Vinyl schon vorbestellt gehabt und dann auch noch das Glück sie dieses Jahr bei Rock am Ring live gesehen zu haben. Klasse Band, klasse Scheibe.
    Insgesamt gebe ich demnach auch 5 Sterne. Eigentlich wäre es Genre bedingt zwar nicht möglich, aber wenn man ein System wählt, bei dem 5 das Maximum ist, so müssen es wohl 5 Punkte sein. Vor allem, weil das hier einfach noch einen Tick besser ist, als vieles anderes, was ebenfalls 4 Sterne bekommen hat.