laut.de-Kritik
Die Wände wackeln, aber mit Gefühl.
Review von Emil DröllSeit der hochgelobten Platte "Where Owls Know My Name" ist bei Rivers Of Nihil einiges passiert. Eine EP, ein neues Album, neues Line-up. Und nun das selbstbetitelte Werk – eine Ansage. Denn "Self-Titled" bedeutet im Metal selten weniger als eine Neudefinition. In diesem Fall: Der erste Longplayer ohne Gründungs-Shouter Jake Dieffenbach, dafür mit Bassist Adam Biggs, der nun auch offiziell am Mikro steht. Mutig. So viel vorweg: ziemlich gelungen.
Dass Rivers Of Nihil schon länger nicht mehr einfach 'nur' Death Metal machen, hat sich herumgesprochen. Tech-Death, Prog, Melodic, Jazz, Doom – und das alles in einem Song. Die Stilbreite bleibt beeindruckend. Und selbst, wenn man kein Death-Metal-Purist ist, kann man hierin ganz hervorragend versinken.
"The Sub-Orbital Blues" eröffnet als Vorabsingle in die neue Klangidentität. Biggs' Stimme? Sitzt. Aggro-Growls treffen auf hymnischen Klargesang, Neuzugang Andy Thomas (Gitarre) steuert gleich noch ein paar butterweiche Leads bei – zwischen Pinch harmonics und sägenden Riffs. Da wackeln die Wände, aber mit Gefühl.
Und ja, irgendwann fällt auch wieder dieser Vergleich: Gojira. Früher überzogen – jetzt plötzlich greifbar. "Dustman" trägt das erste Mal diese schwer schiebende Melancholie in sich, die man sonst eher aus Frankreich kennt. Doch wo Gojira die apokalyptische Erdkruste aufstemmen, schicken Rivers Of Nihil einen Saxophonisten durchs All – spätestens bei "Water & Time", wenn Jazz auf Blastbeats trifft, wird es angenehm absurd.
Überhaupt: Dieses Album liebt die Extreme. "Criminals" presst Thrash-Rhythmik, halbe Chöre und ein Banjo in vier Minuten. "Despair Church" geht es mit Klargesang und späterem Cello-Einsatz ruhiger an, ohne dass dabei das Bollwerk an Härte bröckeln würde. Auch hier: Kontraste statt Kompromisse.
Doch bei aller Experimentierfreude: Manche Gitarrensoli wirken wie lieblos aus der Guitar-Hero-Beta gekratzt, übertrieben und tonal deplatziert. Auch "House Of Light" – mit seinen sechs Minuten nicht zu lang, aber zu unentschlossen – driftet streckenweise in die Beliebigkeit ab. Irgendwann wird die orchestrale Vielfalt zur Reizüberflutung.
Dafür entschädigen andere Tracks. "American Death" lässt es noch mal schön stumpf krachen. "The Logical End" macht seinem Namen keine Ehre – sondern schleppt sich ohne Richtung über sechs Minuten hin, was hier aber guttut. Der große Moment kommt erst zuletzt: "Rivers Of Nihil" von Rivers Of Nihil auf dem Album "Rivers Of Nihil". Das ist nicht nur konsequent, sondern einfach ein brettharter, gut aufgebauter Abschluss mit epischem Anspruch und kathartischem Breakdown. Selbst die Pause davor besitzt dramaturgisches Gewicht.
Was bleibt? Ein Album, das vieles wagt – und das meiste davon auch gewinnt. Keine Rückkehr zu alten Tugenden, sondern ein Schritt nach vorne. Eine Art musikalische Visitenkarte, die sagt: Wir sind noch da. Anders, aber gut. Für Genre-Nerds eine Pflichtlektüre – für Metal-Interessierte eine lohnenswerte Herausforderung.
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