laut.de-Kritik
Der alte Hund hat noch jede Menge Biss.
Review von Giuliano BenassiDie Corona-Jahre waren für den ehemaligen Sänger von Led Zeppelin eine Zeit der Besinnung. Beschäftigt blieb er wie eh und je. So nahm Robert Plant mit dem Journalisten Mark Everitt vier Staffeln des hörenswerten Podcasts "Digging Deep" auf, in dem er Lieder seines Repertoires vorstellte und aus dem Nähkästchen plauderte.
Außerdem sichtete er Berge von Material und Memorabilia aus seinem langen Berufsleben. Dabei entdeckte der Musiker auch Dinge, die er am liebsten an Ort und Stelle aufgenommen hätte. Beim bloßen Vorhaben blieb es nicht: Robert stellte eine Band mit Leuten aus der Umgebung seiner Heimatstadt Birmingham zusammen, und man wurde kreativ.
Einen konkreten Plan gab es nicht, eher ein paar Treffen in lockerer Atmosphäre und in unregelmäßiger Reihenfolge. Über einen Zeitraum von sechs Jahren kamen so genügend Material für dieses Album und auch eine Tour zusammen, bei der Plant ausnahmsweise mal der einzige bekannte Musiker ist. Was nicht bedeutet, dass die anderen Beteiligten nicht musizieren können.
Vom Stil her orientieren sich viele Stücke an Plants erstem Album mit Alison Krauss. Wwobei einige auch Elemente aus seiner Zeit mit den Sensational Space Shifters vorweisen, in Bezug auf afrikanische oder orientalische Elemente und dichte Klangatmosphären. Einen großen Einfluss hatten die von ihm fast schon verehrten Low. Einerseits, weil "Everybody's Song" von ihnen stammt. Und auch, weil Sängerin Suzi Dian, deren Namen es aufs Plattencover geschafft hat, mit ihrem eher kühlen Gesang an die 2022 verstorbene Mimi Parker erinnert.
Dafür, dass die Produktion in Eigenregie und an verschiedenen Orten erfolgte, kommen Klang und Abmischung wirklich gut. Die Musiker? Oli Jefferson (Schlagzeug), Tony Kelsey (Gitarre), Matt Worley (Banjo etc.) sowie Barney Morse-Brown (Cello) sind außerhalb des "Shire", wie Plant die ländliche Gegend südlich und westlich von Birmingham nennt, geradezu unbekannt - ebenso wie Sängerin Dian.
Die Lieder, die sie interpretieren, sind mehr oder weniger obskur. Neben Low kommen Memphis Minnie ("Chevrolet"), Moby Grape ("It's a Beautiful Day Today"), The Low Anthem ("Ticket Taker") oder Blind Willie Johnson ("Soul Of A Man") vor. Die Singer/Songwriterinnen Martha Scanlan ("Higher Rock") und Sarah Siskind ("Too Far From You") dürfte Plant über Krauss kennengelernt haben. "As I Roved Out", "I Never Will Marry" und "Gospel Plough" sind wiederum Traditionals. Letzteres coverte schon Bruce Springsteen mit anderem Text als "Eyes On The Prize" auf "We Shall Overcome: The Seeger Sessions" (2006).
Plant beweist wieder einmal, dass er nicht nur ein einzigartiges Organ besitzt, das viel jünger klingt als das eines über 70-Jährigen, sondern auch die Fähigkeit, Musiker:innen aus verschiedenen Richtungen zu einem verschworenen, kreativen Haufen zu verschmelzen. Dass sie ganz ohne Druck spielten, macht einen großen Teil des Charmes dieses Albums aus. "Es war eine Offenbarung – das Schöne an dieser Geschichte. Das sind wirklich nette Menschen. Sie spielen, was sie zuvor nie zum Ausdruck bringen konnten. Sie haben einen einzigartigen Stil entwickelt und einen neuen Platz für diesen alten Hund geschaffen", betont Plant.
Ein alter Hund, der mit 75 immer noch den Biss hat, um mit einer neuen Band vor Weihnachten quer durch die USA zu touren, und dann durch Großbritannien.
2 Kommentare
"unregelmäßiger Reihenfolge"
Ich glaube, das müsste "Abfolge" oder besser: "unregelmäßigen Abständen" heißen, außer natürlich, er hatte Zutritt zu Mark Forsters Zeitmaschine
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Sie waren vor einem Jahr an der Baloise Session (-> Videothek arte). Sehr stimmungsvoll und emotional. Fanatstische Musiker und Sound! Sofort wieder!