laut.de-Kritik
Ein Abend wie geschaffen für Rod Stewart.
Review von Kai ButterweckKaum ein musikalisches Format wurde in den letzten zwanzig Jahren öfter dafür benutzt, missbraucht und auserkoren als die MTV Unplugged-Serie, um sowohl lang ersehnte, als auch weniger relevante Zusammenführungen und Reunions alter Helden aus grauen Vorzeiten zu feiern.
Sei es die Hip Hop-Symbiose aus LL Cool J, De La Soul und A Tribe Called Quest aus dem Jahr 1991, die drei Jahre später folgende Neu-Intonierung alter Zeppelin-Klassiker durch Robert Plant und Jimmy Page oder auch die pompöse Selbstinszenierung der Herren Simmons, Stanley, Frehley und Criss im Jahr 1995. MTV Unplugged: Intim und im kleinen Rahmen, dennoch "broadcasted all over the world" und nicht selten für viele angestaubte Rock- und Pop-Saurier gleichbedeutend mit dem Sprungbrett in den zweiten, dritten, manchmal sogar vierten Frühling.
Auch Rod Stewart, Englands Schmirgel-Organ schlechthin ließ sich nicht zweimal bitten, als der Sender ihm 1993 eine Einladung zukommen ließ. Der gute Rod war bei vielen seiner zahlreichen Anhänger aus den siebziger Jahren bereits in Vergessenheit geraten. Schuld daran waren gehaltlose Ausflüge in die Pop-Welt, Selbstüberschätzung und ein Markt, der kaum noch Nischen bot für jemanden, der einst mit den The Faces die Maxime "Sex, Drugs & Rock'n'Roll" bis zum Exzess auskostete.
Wie ein langzeitverletzter Fußball-Profi, der nach Monaten der Verbannung ungeduldig am Spielfeldrand auf seine Einwechslung wartet, scharrte Rod Stewart mit den Füßen, bevor er am Abend des 5. Februars 1993 die Bühne der Universal Studios in Los Angeles betritt, seine Starkstrom-Frisur in den Nacken legt und mit "Hot Legs" das Set eröffnet.
Der Boogie-Rocker vom 77er-Album "Foot Loose & Fancy Free" lockert den angespannt wirkenden Briten bereits nach wenigen Takten sichtlich auf, und so wird bereits frühzeitig deutlich, dass Stewart seine Hausaufgaben gemacht hatte und nur darauf brennt, sich nach einer jahrelangen Dursttrecke wieder zurück ins Rampenlicht zu spielen.
Bereits mit dem zweiten Song "Tonight's The Night" begibt sich der Sänger auf sicheres Terrain und zeigt, dass sein verrauchtes Organ auch im gesetzten Alter immer noch schmachtendes Kerzenlicht in Schlafzimmern rund um den Globus entfacht. Der First-Class-Gigolo und ehemalige Schrecken aller Schwiegermütter weiß nur zu gut um die einzigartige Ausstrahlung seiner balladesken Ergüsse, und so verwundert es kaum, dass sich im Mittelteil der Performance die süffigen Melancholie-Klänge nur so die Klinke in die Hand geben.
Angefangen von "People Get Ready", über "Have I Told You Lately" bis hin zu "Tom Traubert's Blues" und dem Cat Stevens-Klassiker "The First Cut Is The Deepest" drückt die Halbzeit des Geschehens eine Träne nach der anderen ins Freie. Kurz vor dem Zweisamkeits-Kollaps bekommt der Entertainer mit dem schunkelnden "Mandolin Wind" aber noch rechtzeitig die Kurve, bevor sich mit "Highgate Shuffle" eine wahre Bluesrock-Steel-Guitar-Schlacht unter den Anwesenden Mariachis offenbart und die Schlussoffensive einläutet.
Einer der Sechssaiter-Musikanten ist ein alter Bekannter: Ronnie Wood, seines Zeichens Stewarts Kollege, als die beiden noch bei der Jeff Beck Group und später dann bei den The Faces für Furore sorgten, ehe sich Woods 1975 den Rolling Stones anschloss. Der schmächtige Gitarren-Veteran gesellt sich an diesem Abend bereits ab "Handbags And Gladrags" dazu, kommt aber erst so richtig in Fahrt, wenn mit "Highgate Shuffle" und "Stay With Me" die Stimmung gen Ende den Siedepunkt erreicht.
Zart und hart: Rod Stewart findet insgesamt die richtige Mischung, liefert ab und nutzt die Chance sich einem Millionen-Publikum wieder ins Gedächtnis zu rufen. Im intimen Kreis, inklusive eines Streicher-Ensembles, präsentiert sich der extrovertierte Sänger nicht nur stimmlich sondern auch unterhaltungstechnisch in Topform. Die Intensität des Treibens aller Beteiligten kommt natürlich besonders auf der dazugehörigen DVD zum Vorschein, wenn sich beispielsweise der anfangs eher eng bemessene Bewegungsradius des Sängers nach und nach erweitert, bis es ihn zum Ende hin kaum noch auf dem Stuhle hält.
Allerdings macht sich in puncto Aufbereitung auch etwas Enttäuschung breit, wenn die MTV Unplugged-typischen Ein- und Ausblendungen zwischen den Songs permanent für Stimmungslöcher sorgen. Auch die Specials auf der DVD lassen zu wünschen übrig bzw finden erst gar nicht statt. Keine Interviews, kein Making-of, keine Hintergrundberichte und keine Nachbetrachtung des Protagonisten: Das ist schon ziemlich dünn wenn man bedenkt, dass es sich bei der DVD um eine Erstveröffentlichung handelt.
Unterm Strich bleibt demnach eine "King For A Day-Performance", die eine würdigere Verpackung verdient hätte. Denn auch wenn Rod Stewart Zeit seines Schaffens von vielen Außenstehenden gerne belächelt wird, so bewies er zumindest an jenem kalten Februar-Tag 1993, dass er zu den Großen seiner Branche gehört. Die Rahmenbedingungen müssen halt nur passen.
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