laut.de-Kritik
Folklore und Jazz voller Inbrunst und Romantik.
Review von Sven KabelitzManchmal stößt man an seine Grenzen. Musik lässt sich nicht immer leicht beschreiben. Noch weniger, warum sie gefällt. Sie ist keine Mathematik, Lieder keine Gleichungen. Kommt noch dazu, dass man den Ursprung, Herz und Seele der Songs nicht kennt, wird es arg knifflig. Die Welt ist so groß, man kann nicht mit jeder Tonfarbe des Regenbogens vertraut sein. Doch einmal kurz beim Interpreten nachgehakt, schon bin ich schlauer. Wer nicht fragt, bleibt dumm.
Den Laien erinnert "Élitro" an den Charme der alten Aufnahmen von Stan Getz, João und Astrid Gilberto. Bossa Nova füllt die Luft. Doch die Rhythmen, mit denen Santa Maria und El Paquete Chileno (chilenisches Paket) spielen, sind vielseitiger. Von Track zu Track variieren sie zwischen diversen lateinamerikanische Folkore-Einflüssen und einem Hauch von Jazz, passen sich der jeweiligen Stimmung an.
Gleich zu Beginn von "Élitro" begrüßt den Hörer der wollige Flügelhornklang von Alan Sommer. Samtweich kuschelt sich dieser um den Gesang und das mal zärtliche, mal zackige Gitarrenspiel von Rodrigo Santa Maria. Jazzbassist Marco Chacón und der Perkussionist Luis Barrueto komplettieren das Bild. Gemeinsam verlieren sie sich in einem Sechsachteltakt, halb Tonada, halb Chacarera.
Immer wieder weben die vier Musiker neue, buntscheckige Fäden in ihren Klangteppich. Wie in einer kurzen Romanze bezirzt das Keyboad von Larry Porter den Tonada Chilena "Aya Yai". Den Leadgesang des Boleros "Gris Est Le Ciel" übernimmt die Französin Constance Scanell, von der auch der französische Text stammt. Scanell und das Trompetenspiel von Alan Sommer gehen eine liebevolle Beziehung ein.
Einen besonderen Moment nimmt "Huayno Trans" ein, in dem Santa Maria die "fantastische Geschichte über einen Homosexuellen, der sich in eine Frau verwandelt", erzählt. Voller Inbrunst und Romantik geben sich der Sänger und sein Mikrofon-Gast, José Miquel Márquez dem Lied hin. Beschwipst drehen sie sich im Dreivierteltakt um ihre eigene Melodie.
Im Landó "La Profasis" rückt der Kontrabass von Marco Chacón selbstvergessen und poetisch in den Vordergrund. Versunken spielt "Defensa De Violeta Parra" ein wenig mit der "Godfather Theme" und gedenkt der großen chilenischen Folklore-Musikerin Violeta Parra. Doch verstaubt es nicht in Erinnerung sondern lädt beherzt zum Schwofen ein.
Ein großer Dank für dieses wundervolle Album und die kleine Hilfe, mich in Musik und Text besser zurecht zu finden, geht an Rodrigo Santa Maria und sein chilenisches Bündel. Ich hab' meine Sinne verloren, in dem Fieber, das wie Feuer brennt.
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