laut.de-Kritik
Fehlt nur noch ein Death Metal-Track ...
Review von Alexander CordasRoedelius. Da klingelt beim krautrock-affinen Musikjunkie das eine oder andere Glöckchen. Wenn dann auch noch Herberts Grönland-Label ins Spiel kommt, artet das Glockenspiel zum wahren Festtagsgeläut aus.
Vor geraumer Zeit hat es WM-Gröni doch tatsächlich auf die Reihe bekommen, dass die ollen Streithähne Rother und Dinger einer Neuauflage ihrer Neu!-Platten zustimmen. Die waren lange schon vergriffen, so dass man horrende Preise auf den Tisch blättern musste.
Jetzt erscheint auf Grönland auch eine Werkschau des umtriebigen Hans-Joachim Roedelius unter dem schlichten Banner seines Nachnamens. "Works 1968-2005" präsentiert genau das, was der Titel suggeriert, nämlich einen Überblick über sein Schaffen. Umtriebig experimentiert und musiziert sich Roedelius durch die Jahrzehnte.
Mit Kooperationspartnern wie Brian Eno, dem erwähnten Michael Rother, Holger Czukay und anderen zieht Roedelius seine Identitätskreise in einem äußerst abwechslungsreichen und spannenden Kosmos. Scheuklappentragen sollen andere. Roedelius mixt Stile und Ausdrucksformen, Improvisationen und Kompositionsstrukturen, Instrumente und Stimmungen, dass man gar nicht mitbekommt, auf welch eine Achterbahnfahrt der Herr einen da mitnimmt.
Genau so, wie es die skandierten Wortfetzen im Opener der ersten CD "Monza" beschreiben: "Immer wieder hoch und runter, einmal hoch und einmal runter, immer wieder hin und her, hin und her, einmal mehr, immer wieder hin und her, kreuz und quer, mal leicht, mal schwer".
Wobei hin und her wohl die falsche Bezeichnung für den vorherrschenden Rhythmus wäre. Nur eine Richtung ist hier vorherrschend, und zwar geradewegs nach vorne. Ähnlich der treibenden Kraft vieler Neu!-Stücke basiert "Monza" auf einem peitschenden Schlagzeug-Pattern, das fast gänzlich ohne Becken auskommt - Bassdrum, Tom und Snare prügeln das Stück in einen herrlich monotonen Groove hinein. Ein grummelnder Bass und die nervös jaulende Gitarre halten die phonetische Penetration des Trommelfells im oberen exstatischen Bereich.
Wir können aber auch anders. Das 1974 mit Cluster entstandene "Hollywood" geistert durch Sphären, die der Musikbegeisterte 20 Jahre später mit Attributen wie Trip Hop auszeichnen würde. Weitere Belege für die Zeitlosigkeit des hier vorliegenden Materials findet man auf beiden CDs zuhauf. In den allermeisten Fällen ist der Faktor Zeit ohnehin vernachlässigbar, ist es doch kaum möglich, anhand des Sounds auszumachen, aus welchem Jahr oder Jahrzehnt die einzelnen Stücke stammen.
Industriell tönende Klangkollagen, an Cosmic Babys Piano-Fragmente erinnernder träumerischer Schönklang, Uptempo Beats: die schöpferische Schaffenskraft des Herrn Roedelius kennt scheinbar kaum Grenzen. Fehlt nur noch ein Death Metal-Track.