laut.de-Kritik
Im Verbund mit Scorsese, Aguilera und Jack White.
Review von Michael SchuhChristina Aguilera, Jack White und Buddy Guy als Stargäste; es gibt also doch noch Gründe, in ein neues Rolling Stones-Livealbum hinein zu hören.
Wer mit dem Namen Buddy Guy spontan was anfangen kann, dem gebührt der Stones-Edelfan-Orden am Bande. Für die anderen 99 Prozent der Vorbeigesurften: Buddy Guy, zum Zeitpunkt der Aufnahme 70-jährig, ist ein mehrfach Grammy ausgezeichnetes Blues-Urgestein, das beinahe ein ganzes Jahrzehnt lang auf Chess Records veröffentlichte, womit auch die Liebe der Stones zum Interpreten hergestellt wäre.
Guys Beitrag auf dem von Jagger als Muddy Waters-Song angekündigten "Champagne & Reefer" watet denn auch knietief im 12-Taktschema und gefällt mit den für die frühen Genre-Jahre typischen, existenziellen Wahrheiten: "Bring me champagne when I'm thirsty / Bring me reefer when I wanna get high"; "Everytime I get high / I lay my head down on my baby's breast".
Der prominenteste Name indes, der über der Soundtrack-Veröffentlichung "Shine A Light" steht, ist selbstverständlich der von Oscar-Preisträger und Stones-Tourbegleiter Martin Scorsese. Ein Duell der Giganten: Hier der Altmeister des modernen amerikanischen Films der 70er Jahre, dort die britischen Großväter einer der nachhaltigsten Jugendbewegungen aller Zeiten.
Was man dem Soundtrack-Doppelalbum freilich nicht anhört ist des Regisseurs Drängen auf einen intimen Konzertrahmen. Jagger, ganz der Bühnenhengst, sah sich zu Beginn der Gespräche ja bereits live in Rio vor einem Millionenpublikum.
Stattdessen entstand "Shine A Light" an drei Abenden im New Yorker Beacon Theatre, einem traditionsreichen, intimen Setting, das zumindest im Geiste den Bogen zu den frühen, rebellischen Tagen der Band spannen sollte.
Im Wissen um das historische Gewicht dieser Konzerte präsentierten Mick Jagger, Keith Richards, Ron Wood und Charlie Watts eine mäßig abwechslungsreiche Setlist.
Sicher, "Loving Cup" vom '72er Klassiker "Exile On Main Street" hört man nicht alle Tage, schon gar nicht mit Jack White, der hier einen maximal soliden Auftritt hat. "As Tears Go By", der für Ex-Edelgroupie Marianne Faithfull komponierte Jagger/Richards-Debütsong im akustischen Gewand geht ebenso in Ordnung wie das reduziert arrangierte "Some Girls".
Daneben geben sich Klassiker-Standards wie "Jumping Jack Flash" (eine der präsentesten Versionen der Platte), "Sympathy For The Devil" und zu Recht vergessene Nummern wie "Shattered" und "She Was Hot" die Ehre. Doch immer dann, wenn die Veranstaltung in die Mittelmäßigkeit abzudriften droht, drehen die Oldtimer die Show.
Kurz vor Einsetzen des Sekundenschlafs bellt Jagger etwa in der '81er Nummer "Faraway Eyes" die Strophen raus, als gelte es, in Hip Hop-Kreisen für Aufsehen zu sorgen, anschließend folgt besagter Buddy Guy-Auftritt.
Auch Keith Richards wählte seine Vokalbeiträge netterweise nicht aus der jüngeren Vergangenheit und legt bei "Connection" ein Tempo vor, als wäre er grade von einer Kokospalme runter geklettert.
Wer auf Rockduette mit Rockröhren steht, dem dürften bei "Live With Me" mit Dirrty Aguilera die Augen leuchten. Kieksen, schmachten, Saxophonsolo: Selten klang Rock'n'Roll so lehrbuchmäßig.
Der Live-Sound, vom alten Bekannten Bob Clearmountain ("Stripped", "Live Licks") abgemischt, zeigt sich stets relativ dicht am Geschehen und setzt gerade die perkussiven Elemente gut in Szene.
Von Band-Interviews und sonstigen O-Ton-Eskapaden ist "Shine A Light" erfreulicherweise frei und funktioniert somit als vom Dokumentarfilm entkoppeltes Livealbum. Da es in dieser Hinsicht wahrlich nicht das erste seiner Art ist, wage ich mal die Behauptung, dass man sich eher auf den Kauf der Film-DVD vorbereiten sollte. Vielleicht bekommen wir dort auch den Grund für das hundsmiserable Cover erklärt.
4 Kommentare mit einer Antwort
Einmal "Stones-Edelfan-Orden" büdde - Allerdings kennt man Buddy Guy auch sonst, wenn man sich etwas mit Blues beschäftigt. Stones hin oder her...
@laut.de (« Christina Aguilera, Jack White und Buddy Guy als Stargäste; es gibt also doch noch Gründe, in ein neues Rolling Stones-Livealbum hinein zu hören. »):
Also Christina Aguilera wäre für mich weit und breit der einzig denkbare Grund, in ein neues Rolling Stones-Livealbum nicht hineinzuhören.
Dieses Konzert verspricht doch, absolut magischer Musik-Kinostoff zu werden. Ähnlich wie schon Scorseses "The Last Waltz". Bitte nicht auf DVD! Ich werde diesen Film genießen, ja zelebrieren!
wat isn an dem cover schlecht?!
@Frane (« wat isn an dem cover schlecht?! »):
ach, einfach das millionste stones-livefoto ohne den hauch einer neuen idee mit nacketem jagger-bauch, gähn.
Es ist ja leider so, dass die Coverkunst ausgestorben ist. Finde ich zumindest. In den 60ern hat man noch wert auf künstlerische Cover gelegt, da war das Cover genauso wichtig wie das Album. Heute ist es irgendwie nur ein Muss, so sehen jedenfalls manche Cover aus.