laut.de-Kritik
Mit Keith am Mic? Keine Chance!
Review von Eberhard DoblerDie Geschichte wird es einst beweisen: die Rolling Stones sind eine Fügung des Schicksals. Weshalb Veröffentlichungen im Monatstakt noch lange nicht einleuchten. Kommen in der Regel doch immer dieselben alten Zöpfe raus. Diese Special Edition, jene Early Years-Collection, "Forty Licks", "Four Flicks" oder "Live Licks": Wer um Himmels Willen braucht zum tausendsten Mal "(I Can Get No) Satisfaction" oder "Brown Sugar" im Schrank?
Die Veröffentlichungswut schmälert allerdings nicht die Leistung der wohl berühmtesten Rocker ever. Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts und Ron Wood rockten auf ihrer Licks World Tour unterstützt von zahlreichen Musikern topfit und mit breit angelegten Jams die Bühne ("Street Fighting Man" oder "It' Only Rock 'n' Roll").
Das Tempo der Tracks erhöhen sie zuweilen ("Brown Sugar"), das Zusammenspiel bleibt aber, von den gewohnten Temposchwankungen abgesehen, relativ tight. Dazu sind die Stücke mit Tasteninstrumenten, Bläsern, Mundharmonika, Percussion und Backing Vocals abwechslungsreich arrangiert. Und Jagger ist jederzeit hervorragend bei Stimme. Die tausendfache Unterstützung bei "You Can't Always Get What You Want" bräuchte er bei Gott nicht.
Interessant gestaltet sich die zweite CD, die den eigentlichen Mehrwert der "Live Licks" ausmacht: die elf Stücke (inklusive dem lässigen B.B. King-Cover "Rock Me, Baby") nahm die Band bisher nie live auf. Beispielsweise das schmissig synkopierte "Monkey Man", das flotte "Rocks Off" oder "Can't You Hear Me Knocking" mit seinem bewegten Solo-Mittelteil.
Wenn Richards allerdings das Cover "The Nearness Of You" intoniert, wird deutlich, dass es die Stones mit dem trinkfesten Gitarristen am Mikro nie so weit gebracht hätten. Die Gastauftritte von Sheryl Crow ("Honky Tonk Woman") und Solomon Burke ("Everybody Needs Somebody To Love") zierten dagegen schon "Four Flicks".
"Live Licks" klingt transparent abgemischt, hätte bei der Post Production aber mehr Volumen im Bass- und Rhythmusbereich mitbekommen sollen. Selbst wenn die Tracks der zweiten CD für Fans ein neues Schmankerl darstellen (leider fehlen die Ortsangaben zu den einzelnen Aufnahmen), gilt unterm Strich: wer sich die Tour 2002/2003 nicht noch einmal ins Gedächtnis rufen will, braucht diese Platte nicht. Eine spannende Ausnahme in der Stones-Release-Schwemme gibt es übrigens: die DVD "Rock And Roll Circus".
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