laut.de-Kritik
Wenn Lennon, Richards und Clapton gemeinsam rocken ...
Review von Eberhard DoblerDer eine oder andere Stones-Fan würde für eine Zeitmaschine wahrscheinlich sein letztes Hemd geben. Für alle Zeitreisenden in spe hält das digitale Zeitalter einen Trostpflästerchen bereit: das legendäre Konzert vom 11. Dezember 1968 auf DVD. Der "Rolling Stones Rock And Roll Circus" wurde von Regisseur Michael Lindsay-Hogg, der auch den Clip zu "Jumping Jack Flash" drehte, fürs Fernsehen aufgezeichnet. Die DVD bietet allen zu spät Geborenen zudem Extra Features mit "Never seen before footage".
Nachdem sie den Videoclip als Medium entdeckt hatten, wollten die Stones mehr: eine TV-Show. Die Idee kam den Beteiligten zwar eher zufällig. Aber was könnte besser passen, als ein R'n'R-Konzert als Zirkusspektakel zu inszenieren? Ein konservatives Ambiente kam für die Stones nicht in Frage, und so fungiert Mick Jagger als Direktor eines "schäbigen" Wanderzirkus. Dazu lud man echte Artisten und Zeitgenossen wie The Who, Marianne Faithful, John Lennon oder Jethro Tull in die TV-Manege. Led Zeppelin waren Jagger übrigens zu heavy, wie Hoog im Prolog ausplaudert.
Den Abend eröffnen Jethro Tull: einen besseren Zirkus-Protagonisten als Rock-Obergaukler und Flötist Ian Anderson kann man sich kaum vorstellen. Die Superrocker The Who gebärden sich standesgemäß glamouröser. Nach einer Einlage von Trapezkünstlern bluesrocken die New Yorker Taj Mahal. Die von Charlie Watts als "wunderschön" angekündigte Marianne Faithful schlägt dann ruhigere Töne an. Nach einer Kurzeinlage des Duos Jagger/Lennon entern Lennon, Keith Richards, Eric Clapton und Hendrix-Drummer Mitch Mitchell als The Dirty Mac mit kräftigem Blues Rock die Bühne - super. Allerdings nur so lange, bis Yoko Ono die Bühne betritt und man nur hoffen kann, dass ihr Gejodel Drogen-inspiriert war.
Mit umjubelten Tracks wie "Jumping Jack Flash", schrägen Chillern wie "Sympathy Für The Devil" und vier weiteren Stücke schließen die Stones, die an diesem Abend zum letzten Mal mit Gitarrist Brian Jones auftraten. Die DVD zeichnet sich durch guten Sound aus und lässt sich mit zuschaltbaren Untertitel bzw. Audiokommentaren verfolgen. Lennon, Richards, Clapton und Townshend hätten es beispielsweise ein paar Jahre später in keinem Raum mehr zusammen ausgehalten, weiß Faithful zu berichten.
Im Zusatzmaterial kommt Townshend in einem Extra-Interview zu Wort, Taj Mahal steuern drei weitere Songs bei und Klassikpianist Julius Katschen haut in die Tasten. Unveröffentlichtes Backstage-Material (u.a. von Lennon/Jagger), eine Fotogalerie sowie ein Fatboy Slim-Remix ("Sympathy For The Devil") runden die sehenswerte DVD ab.
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