laut.de-Kritik
Gewinnt an Ausstrahlung durch den Einsatz von weiblichen Stimmen.
Review von Martin Mengele"Die Studioarbeit ist für mich ein Schmerz im Arsch!", so Bühnenbomber Henry Rollins über die Aufnahmesessions zum neuen Werk "Nice". Ob man Rollins mangelnde Motivation in die Schuhe schieben kann, oder ob an allem nur wieder die Band schuld ist, lässt sich der Platte nicht ohne weiteres enthören. Immerhin wurden trotz der Schmerzen im Gesäß seit Juni 2000 29 Songs aus der Pipeline gedrückt.
Es fällt aber ein enormer Mangel an Aggression in Hangrys Lyrics auf. Nicht dass der Meister ruhiger wird, er ist immer noch der selbe stimmgewaltige Kraftmeier. Inhaltlich fehlt es diesmal aber an geschwollenen Halsschlagadern. Überdies ließ man sich diesmal vom Manager einreden, die Songs klängen besser, wenn man sie mit feminineren Backroundvocals unterlegt. Skeptiker Rollins engagierte eine Truppe Mädels, war sich aber der Wirkung selbst noch nicht sicher. Und man höre und staune: Auch Bandmanager haben ab und an lichte Momente. Der Song "I Want So Much More" gewinnt gehörig an Ausstrahlung durch den Einsatz der weiblichen Stimmen. Zum Verdruss des Hartkern-Rollins-Anhängers, dem diese Idee als zu experimentell und verweichlicht klingen könnte. Der Meister selbst war aber positiv beeindruckt und setzte die Mädels gleich in mehreren Songs ein. "Up For It" verwandelte er dadurch in eine tanzbaren Rocknummer mit funkigem Rhythmus.
Kampfmaschine Rollins scheint jedenfalls glücklich mit der Wahl seiner neuen Bandgesellen von Mother Superior zu sein. Er drängt sich nicht mehr ausschließlich in den Vordergrund und lässt genug Freiraum für (kurze) Gitarrensoli (z.B. "Your Number Is One") und zähe Riffs mit spannenden Tempowechseln ("We Walk Alone"). Trotz aller musikalischen Individualität vermisst man allerdings den fetten Dampfhammer aus den Boxen. "Nice" bleibt eben nur nett, und wird nicht "Great".
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