laut.de-Kritik
Fliehende Wattwürmer und tote Seepferdchen auf Strandausflug.
Review von Artur Schulz"Kein anderes Land. Kein anderes Bier." Huch! Hat der kernige Kerl aus der Jever-Pils-Werbung etwa eine CD aufgenommen? Dies ist meine erste Assoziation beim Studium der schicken Cover- und Bookletphotos von Ronan Keatings neuestem Wurf "Bring You Home." Überall maritimes Ambiente: Ronan im Boot, Ronan am Strand, im Hintergrund ein Leuchtturm, dort flattern Möwen, hier wiegt sich windverwehtes Dünengras in diffuser Abendstimmung – doch das gute, wohlschmeckende Pils in seiner Hand fehlt.
Also doch nur eine vordergründige Mogelpackung? Oder ist der prickelnde Stoff irgendwo in den Songs versteckt? Ich mache mich erwartungsfroh auf die Suche und lege den Silberling in den Player. Der Opener "Friends In Time" schrammelt ganz angenehm los, klingt allerdings verteufelt nach Bryan Adams. Mit "This I Promise You" bleibt es balladesk, und Track drei – Überraschung! - entpuppt sich erneut als Ballade. Die ist sogar ganz apart, vor allem, wenn Gastsängerin Kate Rusby mit einstimmt. Deren ausdrucksstarke Stimme zaubert einige wohlige Momente in den Song. Als nächstes steht "Iris" auf dem Programm – die schmusige, erste Single-Auskopplung. Ballade? Ballade. Ziemlich malade.
"To Be Loved", kündigt die Playlist an. Ist das bereits ein neuer Titel? Oder nur wieder einer von den bislang gehörten? Auf jeden Fall schmalzt und balzt Ronan mit hechelnder Stimme durch sein nächstes Liebesleid. Hier untermalt von bedeutungsschwangeren Streichern und einem handelsüblichen Klimperpiano, das aber noch die bessere Figur in der ansonsten schwulstverhangenen Darbietung abgibt. Kein Wunder, dass Ronan so traurig und nachdenklich den Booklet-Foto-Strand durchwandert. "It's So Easy Lovin You" kommt – eine willkommene Abwechslung! – zumindest in einem dezenten Midtempo daher und scheint ein Zwillingsbruder des Songs "Missing You", jenen im Dudelfunk noch immer gern gespielten Achtziger-Jahre-Hit von John Waite.
Gut, Keating ist ein aparter Typ, sogar sympathisch, nervt nicht, kann eigentlich passabel singen und komponiert manchmal sogar selbst. Doch all das rettet dieses Album nicht aus seiner unangenehm klebrigen, faden und meist uninspirierten Einheitsbrei-Ecke heraus. Zeitgemäße Varianten etwa eines "Life Is A Rollercoaster", fraglos ein Pop-Song der besseren Sorte, ist hier nicht zu finden. Und dessen Erfolg liegt nun auch schon ein paar Jährchen zurück.
Textlich beschwört Ronan mit den üblichen Reim-Verdächtigen die Zweisamkeit in all ihren seit Ewigkeiten durchgekauten Variationen: "We'll Share Forever, This I Promise You." Haben schon zu viele versprochen. "When You're Lost And There's No Where To Go, Don't Give Up 'Cos You Are Not Alone". Tröstlich. "There's Nothin Else I Wanna Do, It's So Easy Loving You." Uff, darauf muss man erst einmal kommen. Erkenntnis-Sahnehäubchen: "I'm No Superman, But I'll Love You The Best I Can". Ich wette 100 Gold-Dublonen aus dem Störtebeker-Schatz: Der Bob Dylan-Lyrikpreis 2006 landet garantiert nicht beim smarten Iren.
Dann der Schock: Nach weit über der Hälfte des Albums erschrickt mich "Back In The Backseat" derart, dass mir fast ein imaginäres Tee-Tässchen aus der Hand gleitet: Ein Uptempo-Song mit bollernden Beats! Naja, nicht ganz so Uptempo, wie man sich richtiges Uptempo vorstellt, doch im Vergleich zum Rest-Album geradezu verwegen nach vorne preschend. Die wattierten Bum-Bum-Beats erinnern verdächtig an historische Song-Schätzchen wie Modern Talkings "Geronimo's Cadillac" oder C.C. Catch's "In The Backseat Of My Cadillac". Egal, stammt schließlich beides aus dem Kompositions-Fundus der Solariumsgrill-Knittermumie Dieter B.
Doch ich brauche nicht zu den Herztropfen zu greifen: Der Titeltrack "Bring You Home" führt Ronans Song-Ruderboot sofort wieder ins inzwischen seicht-vertraute Album-Fahrwasser, das zielstrebig auf Ebbe hin abläuft. Widerstandsfähige Wollhandkrabben winken noch mal kurz bei "Hello Again". Nein, es handelt sich hier nicht um ein Remake des Howard Carpendale-Gassenhausers. Zwei belanglose Titel später ist die CD-Spielzeit vorbei, die Wattwürmer sind inzwischen geflohen, und manch tapferes Seepferdchen bereits vorher verendet.
Mich überkommt der Wunsch nach etwas Kräftigerem. Friesisch-Herb vielleicht. Genau! Her mit einem Fläschchen Jever – wohltuend und belebend rinnt der köstliche Inhalt die Kehle hinunter. Schnell Ronans CD aus dem Player, zurück in die Hülle, und ab irgendwo in die Untiefen des Archiv-Schranks. Kernig ist was anderes. Denn "Bring You Home" ist vom Gehalt her leider nicht mehr als ein alkoholfreies Schüttelbier der abgestandeneren Sorte.
3 Kommentare
Sehr geehrter Autor,
als ich gerade Ihren Artikel bzw. die Kritik über Ronan Keatings aktuelles Werk "Bring you Home" las,traf mich der Schlag.
Sicher,ich weiß das dieses Album im Gegensatz zu den vorherigen ganz anders aufgebaut ist und anders klingt.
Jedoch würde ich deshalb nie behaupten das es nicht gut wäre.
Im Gegenteil, ich bin schon jahrelang ein wirklich großer Fan und kenne alle Alben des Künstlers und habe deshalb auch die Entwicklung über Jahre verfolgt.
Ich denke es ist ganz normal das man sich weiter entwickelt und auch mal etwas anderes macht als gewohnt.
Mir ist bekannt das dieses Album ein wenig umstritten ist. Gut es ist eben Geschmackssache,aber ob sie es Glauben oder nicht,es gibt Menschen denen es wirklich gefällt,so wie mir.
Und nochwas,Hello Again ist selbstverständlich kein Cover des Howard Carpendale Klassikers sondern des Klassikers von Neil Diamond.
Zuletzt möchte ich noch sagen,ob Ihnen die CD gefällt oder nicht,ist letztlich egal,sie muss den Fans gefallen und auf uns als seine Fans kann sich Herr Keating verlassen.
Wir werden immer hinter Ihm stehen.
Helen
@Helen («
Zuletzt möchte ich noch sagen,ob Ihnen die CD gefällt oder nicht,ist letztlich egal,sie muss den Fans gefallen und auf uns als seine Fans kann sich Herr Keating verlassen.
Wir werden immer hinter Ihm stehen. »):
ja gottseidank...
ronan ist bestimmt stolz auf dich