laut.de-Kritik
Ein Album wie eine Visitenkarte.
Review von Simon Conrads"Changephobia" ist ohne Frage ein gutes Album, vollgestopft mit wunderbaren Ideen und einem warmen Grundklang, der perfekte zum lang erwarteten Sommeranfang passt. Es klingt vor allem aber auch wie ein Album für Musiker*innen und Leute, die sich hauptsächlich für produktionstechnische Spielereien begeistern können. Wer hingegen klare Songstrukturen, mitreißende Hooks oder einfach immer ein bisschen straighten Pop braucht, der oder dem wird der Zugang zu Rostams neuem Album etwas schwerer fallen.
Rostam Batmanglij muss grundsätzlich aber auch niemandem mehr etwas beweisen. Als Gründungsmitglied und Produzent von Vampire Weekend wurde er bereits für mehrere Grammys nominiert, für "Modern Vampires Of The City" durfte die Band die Trophäe sogar mit nach hause nehmen. Danach stieg er zwar als aktives Mitglied zwar aus der Band aus, um sich auf seine Solo-Projekte zu konzentrieren, war an "Father Of The Bride" aber dennoch als Songwriter und Produzent beteiligt. Abseits der Band war er zudem auch nicht untätig: er arbeitete mit Jenny Lewis, Charli XCX, Carly Rae Jepsen, Santigold, Frank Ocean, Lykke Li und zahlreichen weiteren Künstler*innen zusammen und verdiente sich als Produzent für Haims "Women In Music Pt. III" eine weitere Grammy-Nominierung.
Erstaunlich ist es also nicht, dass "Changephobia" nun stellenweise wie eine Visitenkarte wirkt, die Rostam vor allem als begabten Produzenten ausweist. Es ist eine große Freude, sich der Musik mit voller Aufmerksamkeit zu widmen, die einzelnen Tonspuren im Kopf zu entwirren und festzustellen, mit wie viel Liebe zum Detail der Amerikaner arbeitet. Besonders präsent, aber geschmackvoll eingebunden, ist das Saxophon von Henry Solomon, der auch auf dem dritten Haim-Album spielte. In "Bio18" unterstützt Solomon den Song im Hintergrund, drängt sich aber nicht nach vorne. Das Stück hätte, von Ezra Koenig gesungen, auch auf "Father Of The Bride" gepasst und macht mit der zentralen Kombination aus Kontrabass, Piano und Percussion eine gute Figur.
Generell erinnert der sehr gezielte und teilweise sparsame Einsatz von Drums und Percussion-Elementen an das jüngste Vampire Weekend-Album. Die Schnipser im charmanten Closer "Starlight" etwa wecken Erinnerungen an "Unbearably White". Im nach vorne drängenden "From The Back Of A Cab" auf der anderen Seite ähnelt die Gesangsmelodie der von Haims "Summer Girl", obwohl der Track von Rostam deutlich melancholischer ist. Im Video zum Song haben die drei Haim-Schwestern passenderweise auch einen Auftritt neben Charli XCX, Wallows und weiteren Künstler*innen. Danielle Haim trommelt außerdem im Opener "These Kids We Knew".
Besonders gut gelingen Rostam die Stücke, die sich stärker in Richtung R'n'B orientieren, vor allem der Titeltrack, in dem Rostam sich über Zukunftsängste auslässt und über die Sorgen davor, etwas von sich preiszugeben: "Then I learned I wasn't so strange / Nothing I should hide from myself". Überzeugend ist auch das darauffolgende "Kinney", mit hektischem E-Beat und großartigen Saxophon-Einwürfen. Rostams Gesang ist zwar nicht die große Stärke seiner Musik, dafür ist sie zu sanft und unaufgeregt und stiehlt der ausgeklügelten Produktion nicht die Show. Im bestens aufgelegten "Next Thing" etwa gibt es einen Zwischenpart, in dem sich eine E- und eine akustische Gitarre mit Phaser-Effekten so umspielen, dass man kurz braucht, um die Sounds zu durchdringen.
Ein Highlight des Albums ist das treibende "4Runner". Mit 80er-Vibe und lallendem Gesang gelingt es Rostam eine mitreißende Aufbruchsstimmung zu verbreiten und Lust auf den nächsten Roadtrip zu machen: Sleeping behind the wheel / Pulled over on the freeway / 4Runner, stolen plates / Long, long gone". Das etwas blasse "[interlude]" fällt hingegen ab, auf den zwei minütigen Einschub hätte das Album gut verzichten können, ebenso auf das etwas zu direkte "To Communicate", das von der Weiterentwicklung im Streitverhalten erzählt: "I was not able to communicate before / No, I was not able to communicate before / But I am now, are you listenin'?". Abseits dieser beiden Titel ist Rostam allerdings eine starke zweite Solo-Platte gelungen, die es vorrangig schafft, ihn weiterhin als spannenden Produzenten zu inszenieren und sicherlich das Interesse an einer Zusammenarbeit steigen lässt.
2 Kommentare mit 2 Antworten
war sehr beeindruckt mit 4runner, muss mal das ganze ding hören
Warum beginnt die Rezension mit dem Fazit?
Neue Anweisung von Oben. Rezensionen haben nun mit dem Ende anzufangen. Zeit ist Geld.
das ist service für die user, schließlich ist nur der klick für das werbegeld relevant ^^