laut.de-Kritik
Retrospektive fürs Merchandise-Regal der Reunion-Tournee.
Review von Michael Schuh"Jo is denn heit scho' Weihnochtn" würde Kaiser Firlefranz vermutlich fragen, wenn er Ahnung vom Musikgeschäft hätte. Doch eine Best Of für den Gabenteller wäre mitten im Hochsommer dann doch etwas verfrüht. Vielmehr macht es Sinn, die Merchandise-Regale einer anstehenden Reunion-Tournee nicht leer stehen bzw. links liegen zu lassen. Allein für diese Frechheit sollte der Ferry across the Mersey geschossen werden!
Achtzehn Jahre nach der Trennung hat sich Ober-Smartie Bryan nämlich von seinen vergleichsweise mittellosen Kumpels überreden lassen, die Jugenderfolge wieder auf große Bühnen zu bringen. Gründungsmitglied Brian Eno hat sich aus solchen Albernheiten natürlich rausgehalten. Gegenwärtig ist er auf der Retrospektive trotzdem, denn Früherfolge wie "Virginia Plain" und "Do The Strand" lassen noch heute den kreativen Geist der Glam Rock-Bande erkennen, den sie nach Enos Ausstieg 1973 weitgehend einbüßten.
Fortan war's vorbei mit Saxophon-Eskapaden und wirren Piano-Läufen à la "Re-Make/Re-Model". Ferry, Mackay und Manzanera verrückten ihre stilvolle Inszenierung in zunehmend eingängigere Tunes. Bei "Out Of The Blue" hört man noch vereinzeltes Gitarrensägen, mit dem Disco-Hit "Love Is The Drug" von 1975 war die schrille Zeit auch musikalisch passé.
Softpop-Welthits wie "Avalon" oder das Lennon-Cover "Jealous Guy" etablierten Ferry als romantischen Crooner und Roxy Music im Mainstream. Somit leistet diese Scheibe nicht mehr als die anstehenden Live-Konzerte: sie belebt die Nostalgie und bringt Kohle ins Haus wie Franzels unsägliche Fernsehwerbung.
Noch keine Kommentare