laut.de-Kritik

Atemlos durch die Nacht, denn wir schnüren deine Gurgel ab.

Review von

"Erst sind wir Feinde, doch dann schreit ihr 'Peace man' / Ihr Toys habt Erfolg mit eurem Hip Hop am Fließband." Als hätten sie sich die legendären Zeilen Bushidos zu Herzen genommen, sind Ruffiction ebenfalls weder auf "Frieden", noch auf massenkompatible Rapmusik aus. Auch wenn der Albumtitel etwas anderes vermuten lässt, predigen die Rapper keine Liebe und Harmonie. Das umgedrehte Peace-Zeichen auf dem Plattencover ist Programm: Ruffictions Musik ist Krieg.

Im Leben von Arbok, Crack Claus und Crystal F stehen Drogen und Gewalt an der Tagesordnung. Dementsprechend eröffnen sie "Frieden" mit einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen: "Zünd Sie Pfeife Wieder An". Ruffiction wollen Substanzen konsumieren und Aggressionen ausleben. Diese Themen verpacken sie in harte Raps. Dabei schrecken die Panzerfans auch vor den bildhaftesten Umschreibungen nicht zurück: "Ich werf' dich in Ofen, verbrenne die Leiche, sammel die Asche und leg mir 'ne Bahn." Nichts für schwache Nerven.

Ihre offensive Haltung verpacken Ruffiction adäquat in ihrer Musik. Die zornige Energie der Interpreten erzeugt eine düstere aber kraftvolle Stimmung, die zum Ausrasten einlädt. Die harten Texte sind durchzogen von eindrücklichen Sprachbildern und schwarzem Humor. Vor allem Arbok und Crystal F liefern zahlreiche unterhaltsame Zeilen voller zynischem Wortwitz und bereichern so die kurzweiligen Songs: "Ich halt die Fahne hoch, wie Alkis an der Kletterwand."

Raptechnisch glänzen ebenfalls Arbok und insbesondere Crystal F, auch wenn das nicht unbedingt ihr eigener Anspruch sein mag: "Reime wie ein Zweitklässler / Aber ein riesen Messer wie ein Metzger." Mit sicherer Versiertheit flowen die MCs über den Takt und runden meist mit ausgereiften Reimen das Hörgefühl ab. Crack Claus fällt hierbei eher negativ auf. Er klingt aufgrund seiner monotonen Betonung sehr eintönig und wirkt auf dem Takt oft unsicher. Der Junkie-Rapper findet meist nur spartanische Reime, verhaspelt sich an vielen Stellen und trübt so Ruffictions Gesamteindruck gewaltig.

Abseits von humoristischer Schlagfertigkeit vermitteln die harten Parolen von Arbok und Co. durchaus einen gewissen Anspruch und Ernsthaftigkeit. Allerdings überspannen sie hier und da den Bogen. So ist beispielsweise "Wut" eine bloße Hasstirade gegen alles und jeden. Nach dem Stress-ohne-Grund-Prinzip liefern die Panzer-Rapper eine aggressive Schlägerhymne voll primitiver Gewaltfantasien und ohne doppelten Boden: "Und ich schlage dir ein Loch in den Kopf / Dass keiner sagen kann, das stopfe ich noch, du dummer Bastard"

Schnell fällt auf: Inhaltlich ist "Frieden" äußerst dünn. Im Kosmos von Ruffiction spielt sich nahezu alles im Gewalt- oder Drogensumpf ab, die Gründe hierfür deuten sie meist nur an. Vielmehr hat man den Eindruck, dass es die vordergründige Hauptsache ist, möglichst viele Rauschgiftnamen und sadistische Taten miteinander zu reimen. Für die reineProvokation reicht das aus, aber der musikalische Mehrwert will sich dabei nicht so recht erschließen.

Vor der absoluten Eintönigkeit retten da nur noch die Beats. Das Produzententeam von "Frieden" liefert einen Sound, der meistens abwechslungsreich und wuchtig daher kommt. Unter anderem Cristal, Johnny Illstrument und Brisk Fingaz zeichneten die instrumentale Skizze für die Platte. Sie geben von harten Drums mit subtilem Dubstep-Wabern ("Zünd Die Pfeife Wieder An") bis hin zu rockigen E-Gitarrenriffs ("Andere Mütter") vielerlei Höreindrücke, die sich stark vom Deutschrap-Usus unterscheiden. So schafft sich die Ruffamilia vor allem dank der klanglichen Kulisse eine eigene Identität.

Besonders gut funktioniert dies, wenn neben der musikalischen Untermalung auch die Featuregäste genrefremd sind. Deshalb sticht besonders "Tiere" als kleines Highlight aus dem Drogen-und-Gewalt-Brei heraus. Der Refrain der Band zero/zero sorgt für eine komplett andere Stimmung und auch thematisch schlagen die Musiker einen neuen Weg ein: Statt den immer gleichen exzessiven Provokationen, gibt es hier sozialpolitische Kritik an der Gesellschaft. Zwar darf man dabei nicht mehr als ein Kratzen an der Oberfläche und schon gar keine neuen Erkenntnisse erwarten, doch eine willkommene Abwechslung ist das allemal.

Die restlichen Gastbeiträge auf "Frieden" geben da eine wesentlich schlechtere Figur ab. Zwar passen die Splatter-Rapper von Hirntot Records inhaltlich recht gut zu den Ruffs, doch bleiben ihre stimmbandverzerrten Hardcore-Raps eine absolut nischige Geschmackssache. Der anstrengende und unharmonische Stimmeinsatz von Blokkmonsta, Schwartz und Rako verlangt einiges an Geduld ab, die lediglich mit wenig raffinierten Lyrics belohnt wird: "Atemlos durch die Nacht / Denn wir schnüren deine Gurgel ab."

Ruffiction legen für "Frieden" nicht ihre Waffen nieder. Stattdessen mähen sie auf ihrem kriegerischen Prügel-und-Rauschgift-Film so ziemlich alles nieder – leider auch die Abwechslung. Der immer gleiche Ansatz hat eine überaus kurze Halbwertszeit und wird schnell eintönig. Hinzu kommt, dass den schwarzhumorigen Sprechgesang andere Rapper wesentlich frischer und unverbrauchter hinbekommen. Ruffiction grenzen sich bewusst ab und suchen ihre eigene Nische, beweisen aber zu wenig kreativen Einfallsreichtum, um sich ein interessantes Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Einzig die Beats und die Ausflüge über die Genregrenze hinweg geben dem "Friedenspanzer" Treibstoff und lassen ihn über die volle Laufzeit weiter rollen. Make music, not war!

Trackliste

  1. 1. Zünd Die Pfeife Wieder An
  2. 2. Friedenspanzer
  3. 3. Maulkorb
  4. 4. Lass Ihn Brennen
  5. 5. Andere Mütter
  6. 6. Besoffen & Drauf
  7. 7. Wut
  8. 8. Methigel
  9. 9. Attentat
  10. 10. Bitte Nicht!
  11. 11. Tiere
  12. 12. Schüsse In Die Luft
  13. 13. Ein Leben Lang

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LAUT.DE-PORTRÄT Ruffiction

"Ruffnecks führen ein Leben zwischen Crackpfeife und Mitten Im Leben-Dokus, zwischen Kopf frei kriegen und Kopf stopfen, zwischen Gewaltfantasien und …

2 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    "rapper wollen platinhits und amg mercedes... ich bleib antipazifist und halt den löffel übers teelicht" "klaus wird erst clean wenn er an hitler-speed verreckt" "häng mich an den tropf...denke ich bin gott... setz mich in mein panzer, ziel auf banger und auf boss- für crack bekannt so wie frankfurt am main... füge in die nächste zeile beliebige randgruppen ein... ich hasse *piep* und hasse *piep* und *piep* hasse ich auch" alter bestes album

  • Vor 9 Jahren

    Auf jeden Fall besserer Provorap als K.i.Z., Trailerpark etc., allerdings sind die flows der Jungs sehr unvariabel und die ganze Gitarrenscheisse ('Andere Muetter') halt wie immer zum Brechen. 3 Punkte.