laut.de-Kritik

Schon okay, auf diese Party nicht eingeladen zu sein.

Review von

Hallo? Chef? Da, ... da muss eine Verwechslung vorliegen. Diese Platte, die da auf meinem Schreibtisch lag - ich glaube, ich bin nicht dafür geschaffen, über sie zu sprechen. Russkaja ist eine scheinbar seit zehn Jahren existierende Ska-Polka-Folklore-Metal-Band aus Österreich.

Das weiß ich, denn nach dem ersten Hördurchgang habe ich mich durch diverse Blogs und Reviews gelesen, die der Musik erschütternd wohlwollend gegenüberstanden. "Man muss schon ein militanter Spaßverweigerer sein, um das nicht zu mögen", resümiert ein Kollege und ich nicke anerkennend, denn "militanter Spaßverweigerer" werde ich mir sowohl in mein Tinderprofil als auch auf meinen Grabstein schreiben.

Was mache ich jetzt also mit "Kosmopoliturbo"? Genießen kann ich es mit Sicherheit nicht, auch wenn ich mich zugegebenermaßen hier und da dabei ertappe, ein wenig mit dem Fuß zu wippen. Der Ska-inspirierte Sound mit schnulzigem, kehligen Gesang aus der Feder von Ex-Metaller Georgij Alexandrowitsch Makazaria zeigt handwerkliche Fähigkeit, Kreativität und eine ganze Menge Leidenschaft. Das ist so gut gemacht wie ein robustes deutsches Bierzelt, das sich zur Fastnacht einen Zarenhut aufgesetzt hat und sich nun unbeholfen in der Kotzlache an einem Stepptanz versucht.

Russkaja ist definitiv Gimmick-Musik. Gerade Tracks wie "Hello Japan" oder "Alive" erinnern in ihrer Genrefluidität ein wenig an die Kehrseiten von Acts wie Kero Kero Bonito oder Maximum the Hormone, da die Genre-Elemente zumeist recht wahllos verbunden werden und es mehr die Ungewohntheit oder der Überraschungsfaktor ist, der den positiven Ausschlag gibt.

Natürlich könnte ich nun elaborieren, warum der Gesang des Frontmanns grauenhaft nervt, wenn er zu sehr versucht, das Gimmick zu realisieren, könnte ausführen, dass viele Genre-Experimente wie der EDM-Drop auf "Alive" durch mangelnde Fachkenntnis in den fremden Fahrwassern völlig in die Hose gehen, aber hier erreiche ich einen der wenigen Punkte im Internet, an denen ich mit Zynismus und Misanthropie auf verlorenem Posten stehe.

Würde ich versuchen, Fans von Russkaja "Kosmopoliturbo" madig zu machen, könnte ich auch versuchen, einer Mittelstufenklasse im Schullandheim die 257ers auszureden. Sie werden es lieben – und das ist ja auch absolut okay so. Dennoch, ich bleibe dabei: Dieses Album ist Musik für Leute, die zwar Szene genug sind, um sich obskurere Lieblingsbands zu suchen, sich dann aber trotzdem auch im August 2017 noch bei Facebook in Beiträgen von "Vong" markieren. Leute, die einen Wodka nach Normalzustand sind, aber noch einen Wodka vor Helene Fischer stehen. Es lässt die Leute ihr Schunkel-Bedürfnis ausleben, die das Schunkeln sonst verachten würden.

Und diese Leute werden dann "Kosmopoliturbo" mit dem Argument verteidigen, dass man ja Spaß dabei habe. Mag sein, ich weiß nicht, vielleicht haben sie ja auch recht. Denn während die Fans mit Plastikzarenmütze in der wodkageschwängerten Kotzlache Stepptanz tanzen, sitze ich Freitag Abend zu Hause und schreibe eine Review zu Russkaja. Verloren haben wir am Ende des Tages wohl beide. Fazit? Fragt mich nicht. Wenn ihr Spaß an Russkaja habt, lasst ihn euch nicht verderben.

Trackliste

  1. 1. Hey Road
  2. 2. Alive
  3. 3. Still In Love
  4. 4. Hello Japan
  5. 5. Volle Kraft Voraus
  6. 6. Mare Mare
  7. 7. Cheburaschka
  8. 8. La Musica
  9. 9. Chef De Cuisine
  10. 10. Send You An Angel

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