laut.de-Kritik
Lyrik mit Punch.
Review von Anastasia HartleibEs verwundert nicht wirklich, dass Sa-Roc schon seit geraumer Zeit bei Rhymesayers ihr Zuhause gefunden hat. Zur Erinnerung: Zu ihren Labelkollegen gehören unter anderem die kopflastigen Schwergewichte Aesop Rock, Brother Ali, MF Doom, Atmosphere oder die Dilated Peoples. Dass Poet und Autor Saul Williams "The Sharecropper's Daughter" eröffnet, passt daher wie die Faust aufs Auge und macht deutlich: Sa-Roc ist in erster Linie Lyrikerin.
Ihr mittlerweile zehntes Album strotzt nur so vor detailverliebten Wortspielen und durchdachten Reimen, die ein ganzes Philologie-Seminar beschäftigen könnten: "I'm widely more known for hippocampus then hips and thighs / 'cause when my blues hit the canvas, another Gibson cries." Also Obacht, zum Nebenbeihören ist "The Sharecropper's Daughter" definitv nicht geeignet, es könnte Überforderung durch sprachlichen Input auftreten. Symptome: geistige Abwesenheit, saure Milch wegen offener Münder und Krämpfe wegen starkem Unterlegenheits-Strinrunzeln, begleitet von verschränkten Armen und stetigem Kopfnicken (kennt man auch von Battle-Rappern, denen gerade bewusst wird, dass sie ihrem Gegenüber nicht gewachsen sind). "See, they crack under the pressure I'm stacking up!"
Thematisch widmet sich das Album vor allem Sa-Rocs persönlicher Geschichte. Als Tochter eines Farmers, der, wie bereits seine Eltern und Großeltern zuvor, für seine harte Arbeit auf einer Tabak-Plantage lediglich ein paar Ernte-Anteile erhielt, schlägt sie sich mit Traumata herum, die nicht ihre eigenen sind und trotzdem ihre Identität prägen. "We com from places man / where twelve year old black girls can't even name her rapist fam / and if she ever did they throw her family off the acres and send a burning cross from a mob of hooded faces, damn / that must have been when Nana's mind had a nervous break / and Granddad passed in church after passing collection plates."
Die Perspektive wechselt von unschönen Anekdoten aus Sa-Rocs Leben zu allgemeineren, gesellschaftspolitischen Anklageschriften. Am direktesten wird die Washingtonerin dabei in "R(E)volution": "Saw street scholars and soldiers defect / 'cause they post-traumatic stressed from the American experience" / "Look, 'scuse the venom in my rap tone / 'cause more often then sweet, life served vinegar in black homes." Dabei wird einmal mehr deutlich, wie sich die individuellen Schicksale schwarzer Bürger*innen mit tragischer Alltäglichkeit in dem schweren, lähmenden und bisweilen tödlichen Netz verfangen, das der systemische Rassismus nun einmal ist, und das nicht nur in den USA.
Die Freude am Rap verliert Sa-Roc trotzdem nicht. Mit dem Ego einer Unantastbaren spittet sie Punchline um Punchline und sieht ihre Ebenbürtigkeit eher außerhalb der terrestrischen Sphären: "I tried to tell you I was an alien once or twice / I guess ten albums of evidence just did not suffice." Dass die Gockel der Szene gerade ihr überbordendes Selbstbewusstsein kritisieren (obwohl es sich hierbei ja um eine ungeschriebene Grundvoraussetzung des Battle-Raps handelt), lässt sie allerdings ziemlich kalt, wie sie in "Forever" klarstellt: "U could call me arrogant if that's gon' help love, but if you trying to knock me down, your demolitions failed, bruv."
Trotz all der Göttlichkeit gibt es trotzdem noch ein paar Abers. Während die inhaltliche Vielfalt durchaus passt, stört doch ein wenig, dass Sa-Roc hier und da fließend zwischen persönlichen, durchaus dramatischen Schilderungen und harten Punches wechselt. Zum Beispiel in "Lay It Down": Während Roc zunächst davon erzählt, wie Drogen und Alkohol ihre Familie einholten, wechselt sie in einer Zeile schlagartig in Punchlines ("let the lyrics tell it, some of these rappers functionally dead!"), nur um danach wieder über ihren Vater zu erzählen, der versuchte, seinen Kindern mit dem Umzug in die Hauptstadt ein besseres Leben zu ermöglichen. Dieser fliegende und thematisch leider so gar nicht passende Wechsel schwächt die Aussagekraft ihrer eigentlich starken Worte.
Hinzu kommt, dass Sa-Roc mit ihren Reimen rhythmisch geniale Absurditäten hinlegt. Ihre Patterns sind wahnwitzig und lassen die Herzen der Rap-Technik-Freaks platzen. Allerdings leidet die Verständlichkeit ihrer Texte - zumindest für Nicht-Muttersprachler*innen - stark darunter. Die einzelnen Wörter können nur mühsam auseinander gefädelt werden, was Hören und Verstehen zeitweise ziemlich anstrengend macht.
Zu guter Letzt wäre da noch die Beat-Problematik. Dass Sa-Roc Lyrikerin ist, wie eingangs beschrieben, führt nämlich dazu, dass sie die musikalische Untermalung ihrer Texte stark vernachlässigt. An Hochwertigkeit mangelt es den Produktionen nicht, allerdings bewegen sie sich auf dem Spektrum eher zwischen eintönig und angestaubt. Besonders arg klingt es bei "Black Renaissance", auf dem ausgerechnet The Roots-Frontmann Black Thought vorbeischaut. Die Produktion hat gefühlt bereits vor 20 Jahren den Charme früherer Generationen versprüht, ohne das Attribut 'zeitlos' dafür zu bekommen. Etwas mehr Originalität bei der Beat-Auswahl und, damit einhergehend, stärkere Arbeit mit statt gegen den Beat würden Sa-Rocs schwere Kost leichter verdaulich machen.
Trotz dieser kleineren Kritikpunkte steht fest: Sa-Roc besitzt ein unbestreitbares lyrisches Talent. Mit "The Sharecropper's Daughter" verarbeitet sie auf unheimlich versierte Weise ihre eigenen Traumata und liefert dabei ein weiteres artistisches Beweisstück für die elend lange Anklageschrift gegen die Unterdrückung von Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe. Allein deswegen hat sich Sa-Roc einen festen Platz in jedem Beitrag über die Großartigkeit von Hip Hop verdient. "And even my mumbles like rumbles in concrete jungles!"
3 Kommentare mit 3 Antworten
Sa-Roc natürlich brutal, die zerstört halt mal locker 98% aller Rappers im vorbeigehen, aber auf Albumlänge finde ich es zT wirklich ziemlich anstrengend. 4/5 geht aber auf jeden Fall klar.
Uh, kannte die Dame noch gar nicht, aber bei dem Label sicher wert sich das anzuhören, da kommt ja quasi nur gutes raus!
Versucht nicht, das Rad neu zu erfinden und ist vllt genau deshalb relativ rund. Irgendwo zwischen Lauryn Hill und Akua Naru, würde ich sagen.
Akua Naru habe ich vor 3 Jahren mal live gesehen. Gute Frau.
Nnnnja. Hatte sie zu Anfang Ihrer Karriere mal in nem kleinen Schuppen gesehen, da hat sie noch deutlich mehr gerappt und den Laden mit geiler Live-Band abgerissen. Sie wurde mir im Aschluß zu beliebig und irgendwie uninteressant.
Lauryn natürlich eine Göttin bis in alle Zeiten, sollte klar sein. Bin gespannt auf das Sa-Roc Album!
"Poetry - How does it feel" allein ist aber schon perfekte Nagga Nagga Hymne genug, um Akua nicht haten zu können