laut.de-Kritik

Das 187-Gegenmodell zum Lümmel von der Stadionbank.

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Auf den ersten Blick wirkt die 187 Strassenbande wie eine äußerst homogene Gruppe. Anarchisch und angriffslustig tobt sie seit mehr als 15 Jahren mit ihrem Urzeit-Rap durch die Vergnügungsviertel Hamburgs. Sa4 teilt mit seinen verhaltensauffälligen Rap-Partnern zwar Brumm-Vortrag und die drogenaffinen Inhalte, doch rappt er zumeist monoton aus dem Hintergrund. Sein exakt einen Gesichtsausdruck umfassendes Mienenspiel verstärkt die emotionale Distanz. So steht im abschließenden "2009" die selbstreflektierte Erkenntnis: "Keine Maske auf, war noch nie eine Rampensau."

"Es geht um Nutten, Koks und dicke Batzen", legt er in "New Jack City" seine überschaubare Themenpalette dar. Sa4 pflegt seinen kriminellen Lebensstil mit fast schwäbischer Ordnung. Alles ist "Organisiert", wie es der Albumtitel verspricht. Ebenso bodenständig wie konservativ investiert der Hamburger "in Taş, nicht in NFTs". Der Hörerschaft dürfte es schwerfallen, das menschliche Wesen hinter den lyrischen Versatzstücken herauszuhören. Humor findet sich ausschließlich in der Mikrodosierung, Persönliches nur vereinzelt, etwa wenn er feststellt: "Die ganze Welt kaputt so wie mein Elternhaus."

Mit einer Widmung an sein altes Stammcafé Kara Elmas gewährt er den umfangreichsten Blick hinter den Vorhang. "Sommer auf dem Kiez, keine Klassenreise", nimmt er die Hörerschaft mit in das Jahr 1996 seiner Kindheit, in der Hip Hop eben doch mehr als nur Mittel zum Zweck war: "Wodka-Maracuja an der Tanke exen, Session auf Beatbox mit der Bande rappen." Völlig nüchtern begibt er sich auf einen nostalgischen Trip durch seine biografischen Tiefpunkte. Und während Gzuz so wirkt, als wolle er die Welt brennen sehen, scheint Sa4 noch einige Rechnungen mit ihr offen zu haben.

"Häng' mit Idioten 'rum", gesteht Sa4 dann auch berauscht vom "Todessuff" am "Wochenende". So viel Ehrlichkeit gibt es nur selten zu hören, insbesondere wenn einer der besagten Simpel gleich noch als Gastrapper vorbeischaut. Maxwell sonnt sich in seiner Hyperpotenz wie eine weniger liebenswürdige Version von B-Tight. Bonez MC bemüht sich, seine Spitzenposition in der Rangliste der unangenehmsten Rapper zu verteidigen. Und der zuletzt reumütige Gzuz hat längst zur Großspurigkeit zurückgefunden: "Schlag' mit Faust, sag' nicht aus. Und mein Anwalt holt mich aus der Sache raus."

Im Gegensatz zu den immer etwas pubertären Bandenmitglieder passt "Selfmade-Millionär" Xatar mit seiner aufgeräumten, zielorientierten Haltung deutlich besser ins Konzept. Der gemeinsame Song "Abu Dhabi" überzeugt mit dezentem Nahosteinschlag, ohne sich in Extravaganz zu verlieren. Generell stellen sich The Cratez, DeeVoe, JamBeatz, YCD und Co. mit tiefbassigen Raubein-Instrumentals in den Dienst der Sache. Der künstlerische Anspruch an das eigene Produkt bleibt dabei zwar zumeist überschaubar, doch die Produzenten behalten stets die Fähigkeiten des Hauptdarstellers im Auge.

"Vieles hab' ich erzählt, doch ihr wisst nur die Hälfte", heißt es arg untertrieben in "2009", denn im Grunde bleibt völlig unklar, woher der Rapper kommt und wohin er möchte. Auf seinem dritten Album dürfte er durchaus noch etwas auftauen und stilistisch wie textlich eine Spur extrovertierter auftreten, ohne gleich wie der Lümmel von der Stadionbank seine Umgebung ins Chaos zu stürzen. Vorerst dämpft Sa4 aber die Hoffnungen: "Was ich rappe, steht auch genauso im Polizeibericht. Kann nicht über alles reden wie ein Arzt mit Schweigepflicht."

Trackliste

  1. 1. Organisiert
  2. 2. New Jack City
  3. 3. Machen Geld (mit Bonez MC)
  4. 4. Kara Elmas
  5. 5. Durch Im Kopf
  6. 6. So High (mit Bonez MC und LX)
  7. 7. Von Stadt Zu Stadt
  8. 8. Wochenende (mit Maxwell)
  9. 9. Chicago
  10. 10. Actionfilm (mit Gzuz)
  11. 11. 187 Allstars ’22 (mit 187 Strassenbande)
  12. 12. Abu Dhabi (mit Xatar)
  13. 13. Gang
  14. 14. All Night Long (mit Koushino und Camaeleon)
  15. 15. Kein Beweis (mit AK AusserKontrolle)
  16. 16. 2009

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