laut.de-Kritik

Hysterie! Zerstörung! Großartig!

Review von

Dissonanz, Verzerrung, let's go. Weil: Alles stagniert, alles geht rückwärts, im Grunde passiert ja wirklich wenig, und wenn etwas passiert, passiert meistens nichts Gutes. "Alle laufen mit der Zeit", singt Safi immer wieder auf dem Opener von "Janus". Die Stimme der gebürtigen Leipzigerin, die irgendwann nach Berlin gegangen ist, ist rau und eindringlich, ihre Texte bündig, konzentriert, die Musik untermalt das bestens. Knapp, verkürzt, auf den Punkt.

Die Gitarren schwellen an, die Snare hämmert, pulsiert. "Wir lügen uns die Augen leer / und bluten Versprechen aus / Wir navigieren umständlich / Bequeme Systeme", so sieht es nämlich aus. Gegen Ende hin steigert sich "Sagen Und Denken" dann ins Symphonische, Gitarrenwände, ein bisschen Synth. Dann beim Song "Menschen": erst mal ordentlich seufzen. Und nein, der Mensch heißt hier nicht Mensch weil er ... wie war das noch mal bei Grönemeyer? Fuck it, hier so: "Menschen graben Routine / Wiederholen sich monoton / Und treten Schwermut auf den Straßen ab / Menschen treten Gleichheit / Schlagen Zeilen in die Ohren / Und blenden das Gewissen aus". Und dann, noch schöner: "Menschen fliegen nicht, Menschen gleiten / Menschen fallen aus allen Wolken / Menschen bleiben ganz gerne klein in den Köpfen".

Oder alles knurrt und knarrt, zerrt sich, versperrt sich, wie bei "Fragezeichen". Konsequent vom Anfang bis zum Ende. Da muss und will man durch. Es geht auf "Janus" um den Status Quo dieses müden, blauen Planeten. Das ist Statement ohne Plattitüde, vielleicht Poesie ohne Rumgeschwurble, Slogans ohne Sloganhaftigkeit. Wir rennen, bis wir den Atem endlich spüren, weil er uns ausgegangen ist. "Ich Will Ich" lebt dann von collagenhaften Atmosphären, in Revers und abgebrochen, stockend. Alles bricht ab: "Draußen stumm", sagt Safi. Pausen, und weiter: "Keiner laut" – vielleicht das einzige Zugeständnis ans Kunstlied, alles tot, alles still. Nochmal kurze, verschrobene Atmosphärenklänge, nochmal pulsierende Trommeln, aus.

"Ich verstecke mich in abgeordneter Haltung / Ich untergrabe die elemantare Vergeltung / Ich erwehre mich in strukturellen Erfolgen / Ich verantworte die sukzessive Verwüstung", singt sie auf "Golem". Wir müssen schließlich alles niederreißen, von innen heraus kaputt machen. Oder zumindest wiederspiegeln. "Ich verteile mich über das ganze Europa / ich massenverbreite die aktuelle Agenda", man könnte hier viel zitieren. Egal ob geschrien, gesprochen oder gesungen: "Janus" ist klug, kaputt und unverkopft, hysterisch, verspielt und politisch, völlig unpeinlich und sehr, sehr gut.

Trackliste

  1. 1. Ausgebrannt
  2. 2. Sagen Und Denken
  3. 3. Menschen
  4. 4. Fragezeichen
  5. 5. Golem
  6. 6. Weg
  7. 7. Offensichtlich
  8. 8. Alle Laufen
  9. 9. Entschuldigung
  10. 10. Ich Will Ich

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LAUT.DE-PORTRÄT Safi

Die Dialektik des Wahnsinns, die Monotonie des alltäglichen Stechschritts und die immer weiter aufgehende Schere zwischen Soll- und Ist-Zustand: Mit …

8 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    sehr interessantes teil, könnte für meinen geschmack zwar noch schüppe mehr brachialität bei, werd ich aber auf jdf mal weiter verfolgen.

  • Vor 9 Jahren

    Die Rezi ist ein elendes Geducke. Komplett unfähig, die positiven Aspekte der Platte nicht-negativ zu beschreiben, so ist sie denn eben 'unverkopft', 'unpeinlich' oder gar Poesie - aber nicht so wirklich, das wäre ja furchtbar nicht-unpeinlich. Liest sich wie eine verzweifelte Rechtfertigung, sich mit Themen, die nicht vollständig nicht-unterflächlich sind, zu beschäftigen, ohne dabei als nicht-unverkopfter Lauch dazustehen.

    Interesse trotzdem geweckt, darum geht's ja am Ende - vielleicht.

    • Vor 9 Jahren

      Cover und "Hysterie! Zerstörung! Großartig!" hat eigentlich schon gereicht ;)

    • Vor 9 Jahren

      Und Attribute wie "sehr, sehr gut", "klug", "eindringlich" etc sind für dich wirklich elendes Geducke und komplette Unfähigkeit, Positiva hinzuschreiben? Und "unverkopft" und "unpeinlich" stören dich in diesem Kontext (bei Themenkomplexen der Umsetzung leicht verkopft etc werden kann) wirklich gar so arg? Nungut.

    • Vor 9 Jahren

      Ach, ich mag einfach diesen apologetischen Grundton nicht, der sich für mich durch diese Art der Rezension einstellt, wenn der Autor sich heimelig relativierend im beschreiberischen Niemandsland, in dem das reizlose Mittelmaß das Maß aller Dinge ist, einnistet.

      Am Ende alles halb so wild, Herr Brandstetter, ist ja nach meinem ersten, kurzen Eindruck ein nettes Stück Musik. Weitermachen.

    • Vor 9 Jahren

      (Ich bitte um Entschuldigung für meinen Hang zur schlechten Polemik)

    • Vor 9 Jahren

      Das Apologetische ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass die Platte bei anderen Musikseiten/-zeitschriften ziemlich mies wegkam. Daher sollte man als Kritiker auch niemals andere Reviews vor dem Verfassen des eigenen Textes lesen. (spreche aus Erfahrung)

    • Vor 9 Jahren

      Richtig so. Über Geschmäcker...

    • Vor 9 Jahren

      - lässt sich richten

  • Vor 9 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.