laut.de-Kritik
Club-Tracks und Rocker mit anstößigen Texten.
Review von Eberhard DoblerDie Scissor Sisters haben den Pop verstanden. Und reichern ihn mit Disko und Rock der 70er und 80er an. Das alleine reicht. The next big thing müssen sie gar nicht sein. Auch wenn die Reaktionen auf die Tanzboden-Single "Comfortably Numb" diesen Eindruck nähren. Gerne zitiert man Popmusik-Klassiker wie die Bee Gees, Frankie Goes To Hollywood oder Frank Zappa. Dennoch sind die Schwestern alles andere als eine platte Kopie.
Die New Yorker legen nicht unbedingt ein richtungsweisendes Album vor. Dafür bleiben sie zu Retro-orientiert. Sie überzeugen vielmehr durch zum Teil überdurchschnittliches Songwriting und hymnische Refrains. Dabei geraten Falsett-Frontmann Jake Shears, Multiinstrumentalist Babydaddy, Performerin Ana Matronic, Gitarrist Del Marquis und Drummer Paddy Boom selten in seichte Gewässer - Texte und Show sind dafür zu anstößig ("Tits On The Radio").
Der Opener "Laura" entwickelt sich von einer Schunkelnummer mit Achtel-Klavierakkorden zu einem obszön groovenden Track. Das langsame "Mary" oder "Lovers In The Backseat" würde Robbie Williams sofort in sein Repertoire aufnehmen. "Better Luck Next Time" frönt dem poppigen Dancefloor mit Country-mäßigem Gitarrenpart.
Obwohl die Schwestern auf Platte etwas hüftlahmer als bei ihren Live-Shows rüberkommen, bleibt die glasklare und sorgfältig austarierte Produktion. Besonders gut gelingt die Integration der Rockgitarren. Gerne operiert man zudem mit glamouröser Wehmut ("It Can't Come Quickly Enough"). Elton John und Meat Loaf dürften jedenfalls ihre helle Freude am Hang zu Rock-Oper oder Revue-Theater haben. Die Platte könnte deshalb eher für ältere Semester taugen.
"Comfortably Numb" führt insofern etwas auf die falsche Fährte. Diese hätten die Scissor Sisters konsequenter verfolgen können. So geschehen bei der Uptempo-Hymne "Filthy/Gorgeous", der Four to the floor-Electro mit Gitarrenlick und Vocoder verquickt oder dem bassbetonten "Music Is The Victim". Den Spagat zwischen Rock-Liedgut und Elektro-Club meistern diese Stücke auf hitverdächtigem Niveau. Beneidenswert.
Noch keine Kommentare