laut.de-Kritik

Eine Stimme, die hängen bleibt.

Review von

Es gibt Stimmen, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Auch wenn man sie nicht unbedingt mag. So wird Brad Roberts von den Crash Test Dummies noch in 20 Jahren sein Unwesen in den Radios treiben wie auch Michael Jacksons Gequake. An Mariah Carey oder Celine Dion denken wir lieber gar nicht.

Sean Rowe spielt in einer anderen Liga. Nicht unbedingt in einer schlechteren, denn wer sein Debüt auf dem feinen Label ANTI veröffentlicht und sich somit sein diskographisches Dach mit Tom Waits teilt, muss etwas Besonderes sein.

Auf jeden Fall besitzt der bärtige Mann aus Troy im Staate New York ein Organ, das sogleich hängen bleibt. Tief und vibrierend, dennoch eine Melodie produzierend und nicht lediglich brummend, lässt er sich im Opener durch Gitarren, ein spärliches Schlagzeug und Grundtönen auf dem Keyboard begleiten.

Ein Minimalismus, der sich durch das gesamte Album zieht, wobei Rowe musikalisch erstaunlich vielfältig ist. So sind "Time To Think" und "Night" ruhige, nachdenkliche Stücke, während "Jonathan" eine lärmende E-Gitarre aufweist. "Wrong Side Of The Bed" überzeugt sogar mit funkigen Elementen.

Rowe mach aus seiner Verbundenheit zur Natur kein Geheimnis und lässt sich von ihr in seinen Texten inspirieren. "Allerdings ist es schwierig, Lieder über die Natur zu schreiben, ohne abgedroschen zu klingen", stellt er zu Recht fest. Oden an Sonnenuntergänge sind demnach auf dem Album nicht zu finden.

Eher Wut auf Technologie und Fehlentwicklungen der Zivilisation. "I lit the dash, I took my sunglasses off, I like to see the fucker glow”, erzählt er etwa in "Jonathan” – und beschreibt damit, wie er sein Auto anzündet. "American" malt ein düsteres Bild von Konsumismus und Marktlogik. "Eden's been stolen, chopped up and leased / And her heart hits the market before it can bleed", heißt es da.

Doch Rowe erzählt auch Geschichten aus dem zwischenmenschlichen Bereich. "Night" beschreibt ein Gespräch zwischen einem Sohn und seinem sterbenden Vater, "Wet" handelt dagegen von einem Jungen, der mit seiner Mutter von einem Trailerpark zum nächsten wandert.

Rowes Melancholie hat eine dunkle Seite, die die einfach gehaltene Begleitung gekonnt untermalt. Gut zu hören in "Old Black Dodge", das mit angedeuteten Akkorden auf einer Akustikgitarre, einer Frauenstimme und einem bedrohlichen Rauschen im Hintergrund auskommt. Nur stellenweise drückt Produzent Troy Pohl eine Spur zu stark auf die Pathos-Tube, wie etwa im von Streichern begleiteten "Wet", das mit ein paar zusätzlichen Bombast-Rock-Schnörkeln auch von U2 stammen könnte.

Ein Album "Magic" zu nennen ist ein mutiger Schritt, der bei einem gänzlich unbekannten Künstler wie Rowe als Überheblichkeit missverstanden werden könnte. Doch der Titel wird dem Inhalt gerecht. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Platte, die eine bleibende Ausstrahlung hat. Nicht unbedingt radiotauglich, dafür mit einer Stimme gesegnet, die hängen bleibt.

Trackliste

  1. 1. Surprise
  2. 2. Time To Think
  3. 3. Night
  4. 4. Jonathan
  5. 5. Old Black Dodge
  6. 6. Wet
  7. 7. The Walker
  8. 8. American
  9. 9. Wrong Side Of The Bed
  10. 10. The Long Haul

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2 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Brummelige Stimme, melancholische Lieder. Gefällt mir gut. Schöne Platte für verregnete Frühlingstage.

  • Vor 10 Jahren

    Das war sein Meisterstück. Songs wie "Jonathan", "Wet" oder das unfassbare "American" werden mich wahrscheinlich immer begleiten. Wer aber mit so einer Stimme weiter im Mittelmaß herumdümpelt, gehört eigentlich verprügelt. Die neue Platte ist genauso durchwachsen wie der Vorgänger, dabei hat der Titeltrack mich schon seit ein paar Wochen in seinem Bann gehabt.