laut.de-Kritik
Die unendliche Geschichte des Straßen-Raps.
Review von Dominik Lippe"Grimmige Fressen unter'm Bandana. Kein Bezug zu den Blendern, Liebe verreckt, weil sich Menschen nicht ändern. Autorität muss man sich erstmal verdienen. Bedeutet: Mit Blut an den Händen und sicherlich nicht mit Hoffnung und Liebe." Nach einer EP und einem Street-Album folgt mit "Schwarzer Hoody" nun das offizielle Debutalbum von Shadow030. Der Berliner schildert auf diesem sein Leben "zwischen Straßen und Gossen, Junkies und Fotzen."
Dabei verliert er sich in Straßenrap-Klischees und präsentiert ein je nach Sichtweise Best- oder Worst-Of gängiger Gangsterrap-Themen. Da wären etwa die Solidarität mit den Freunden ("Loyale Brüder, keine falschen Freunde, stabile Menschen, die mich niemals leugnen.") und der Familie ("Meine Familie ist mir heilig, deswegen muss ich unbedingt mit Mucke was erreichen.")
In einer Welt aus Beton ("Hier werden keine Helden geboren, denn der kalte Beton, Bruder, formt keine Heros.") kann Freundlichkeit natürlich nur als Schwäche aufgefasst werden: "Ich schwöre bei Gott, ich hab' gesehen und gelernt. Die allergrößte Schwäche eines Menschen ist sein Herz." Letztlich handelt es sich dabei um dutzendfach gehörte Genre-Versatzstücke. Quasi die unendliche Geschichte des Straßen-Raps.
Auf "Denzel Washington" liefert Shadow030 den mittlerweile wohl zum Trap-Kanon gehörenden Beitrag im Stil des Nonsens-Namedroppings ab. Vier Jahre nachdem sich K.I.Z. diesem Trend mit "Ich bin Adolf Hitler" parodistisch genähert haben, scheint der Spaß hiesiger Rapper daran ungebrochen. Glücklicherweise lässt die smoothe Produktion locker über inhaltliche Schwächen hinwegblicken. In aller Ruhe entfaltet sich das zurückhaltende Instrumental der Hijackers.
Dem Berliner Produzenten-Team gebührt ohnehin der Großteil des Lobs. Von atmosphärisch düsteren Brechern ("King Kong") bis schüchtern tropfenden Beats ("Schwarzer Hoody") steuern die Hijackers die angenehmsten Trap-Produktionen bei, die dieses Jahr auf einem Deutschrap-Album zu finden sind. Kleine Abstriche muss der Hörer lediglich bei der einen oder anderen hochgepitchten Micky Maus machen, die im Hintergrund munter mitsingt ("Ganglove", "Junge aus dem Block").
Abgesehen davon halten sich die Produktionen dezent im Hintergrund und geben dem Hauptdarsteller genügend Raum für seine Darstellung. Auch wenn es für die erste Flow-Liga noch nicht reicht und seine Stimme nicht mit dem Volumen eines King Eazy mithalten kann, dem Shadow030 im letztjährigen Finale des F!ck-dein-Rap-Contest unterlag, ist sein Vortrag technisch sauber und von großem Hunger geprägt. Davon können sich ungleich erfolgreichere Rapper noch eine dicke Schiebe abschneiden.
Bedauernswert erscheint es, wenn seine brachiale, frei aufspielende Darbietung durch eine einsetzende Autotune-Hook ein jähes Ende findet ("Intro"). Auf "Block Panorama" oder "Ganglove" breitet sich die Software derart breit über die Songs aus, als hätte Shadow030 einen Schluck aus der KMN-Gang-Quelle genommen. Der zweite, noch offensichtlichere Einfluss stellt die erfolgsgekrönte 187 Strassenbande dar. Überdeutlich orientieren sich die Refrains von "Schwarzer Hoody", "Image" und "Schüsse In Der Hood" an Stimmlage und Vortrag von Bonez MC.
Sido, der lobenswerter Weise noch immer ein Ohr für junge Talente aufweist, ergänzt "Ganglove" mit seinem Part. Beim ehemaligen Nachbarn aus dem Märkischen Viertel folgt auf das Straßenbekenntnis ("Ich bin unten mit der Gang, dreh' meine Runden mit der Gang.") direkt wieder die fiktive elitäre Anekdote aus der Upper Class ("Über'n roten Teppich laufen bei den Grammys und dann pissen wir darauf wie dieser R. Kelly."). Derartige widersprüchliche Verse zeugen noch immer vom Spannungsverhältnis zwischen früheren Open-Mic-Sessions im Royal Bunker und heutigen Nummer-1-Platzierungen mit "Royal Bunker".
Um selber mal in den Genuss des sidoesken High-Society-Lifestyles zu kommen, bedarf es im Falle von Shadow030 noch einiger Steigerung. Er ist schlicht zu arm an Themen und Alleinstellungsmerkmalen. Sein Beharren darauf, kein Image zu benötigen, straft er gewissermaßen selber Lügen. Mit den vorhandenen technischen und stimmlichen Anlagen sowie weiteren Edel-Produktionen aus dem Hause Hijackers liegt jedoch eine verheißungsvolle Zukunft vor ihm.
2 Kommentare
Sehe da keinen Mehrwert.
Außer natürlich dieses Video:
https://www.youtube.com/watch?v=fr1Xucu0OoE