laut.de-Kritik
Mädels haben einfach doch die dickeren Eier.
Review von Dani FrommHorden pinkfarbener Schmetterlinge durchschwirren ein CD-Booklet. Was ist das denn? Aus Berlin, aha. Wird schon wieder irgendein Kindergarten-Pop-Zeug sein. Da lehnen wir uns mal entspannt zurück und genießen ein R'n'B-mäßig eingejodeltes Intro. Yeah, yeah.
Oh, das hab ich aber schon wesentlich schlechter gehört. Während ich noch über den Albumtitel grinse ("Beauty And The Beats", wie großartig ist das denn? Ich musste tatsächlich zweimal hinsehen), legt She-Raw los. Hölle und Verdammnis, ich verzeihe der Frau bereits in den ersten 30 Sekunden jeden einzelnen Schmetterling. Diese Lady könnte ihre Platte auch in zartlila Rüschendeckchen einnähen: Der Sound ginge immer noch voll auf die Zwölf.
"She Got" heißt das erste in einer ganzen Reihe von Rap-Brettern, bei denen man sich fragt, ob da eigentlich Queen Latifah aus der Versenkung wieder aufgetaucht ist. Die 22-jährige Debütantin aus der Hauptstadt braucht Vergleiche mit anerkannt großen Kolleginnen keinesfalls zu scheuen; eine Foxy Brown rappt She-Raw, was Tempo und Dynamik angeht, allemal in Grund und Boden. "Du hörst nicht Rah Digga, du hörst nicht Shanté" stellt Labelkollege Zwang in "Fresh" klar. Recht hat er: Man muss es dazusagen. Bloßes Anhören würde niemanden im Traum auf die Idee bringen, hier befinde sich eine Newcomerin am Mikrofon.
She-Raw (die sich ihr Pseudonym bei der Princess of Power der Masters of the Universe entliehen hat) liefert eine beeindruckende Vorstellung ab. Sie beherrscht die deftigen Punchlines ebenso wie souligen R'n'B-Gesang. Letzteres stellt sie beispielsweise in "You Can't Tell Me" unter Beweis. Zwar fehlt es ihr zur richtig großen R'n'B-Diva ein klein wenig an Stimmvolumen, was sie durch sicheren Umgang mit Rhythmus und Tonhöhe allerdings mehr als wettmacht. Bass, Gitarre und Bongos, geschickt zur Stimme arrangiert, runden den Song ab. En Vogue, sogar in ihren (lange zurückliegenden) besten Zeiten, waren ein Dreck dagegen. Das Ganze wuppt als Zugabe auch noch in einer knackigen Remix-Version aus der Box. Sehr schön.
Ebenfalls sehr schön: She-Raws Liebeserklärung an DJ Versatile in "Gangsta L.O.V.E.". Im krassen Gegensatz zum kitschigen Inhalt sorgt ein für ein Liebeslied ungewöhnlich finsteres Instrumental für nahezu beklemmende Stimmung. Sehr passend, mir persönlich gefällt sowas ja. "Main Theme" liefert die klassische Hymne an die eigene Crew. Hat man zugehört, ist man hinterher um einiges schlauer, was das who-is-who bei She-Raws Heimatlabel betrifft.
Bei "Miss You" haben wir es mit einer sachten, nachdenklichen Nummer zu tun, was She-Raw allerdings keineswegs daran hindert, in erheblichem Tempo abzugehen. Das ist auch gut so. Die langsameren Stücke wie "Just A Friend" oder "Small World" sind zwar angenehm zu hören; ebenso "Let's Talk It Over", das (über einem Beat von Chin Chilla, warum zum Teufel habe ich den Namen noch nie gehört?) melodische Giarrenarrangements zu bieten hat und zeigt, dass nicht nur Jungs ihrer Mama verfallen sind. Allerdings läuft She-Raw immer dann zu voller Größe auf, wenn sie (wie in "Don't Call Her" über rockendem Hintergrund) Tempo vorlegen kann.
Womit wir zurück bei "She Got" wären. Es ist wieder Chin Chilla, der hierfür einen Beat zusammenbastelt, der in des RZAs Ghostdog-Soundtrack keineswegs negativ aufgefallen wäre. Darüber verkündet eine Mastress of Ceremony im besten Wortsinne, wer sie ist, woher sie kommt und was sie so alles hat. Eins zweifellos: ihre Rhymes im Griff. Hut ab. Das zeigt sich unter anderem in "24 Hours": She-Raw, hier unterstützt von Serk MC, AkteOne, G.O.D.silla und BassSultan Hengzt, kommt keine Spur weniger derbe, dafür aber Klassen entspannter rüber, als ihre männlichen Mitstreiter, denen man teilweise die Sauerstoffmaske reichen möchte, so hörbar schnappen sie nach Luft.
Überhaupt, die Jungs ... Sie leisten ihren Beitrag, zur ohnehin schon sehr abwechslungsreichen Mischung auf "Beauty And The Beats", kein Zweifel. Doch tun sie dies in überaus durchwachsener Qualität. Plaetter Pi lässt uns wissen, er warte auf die große Chance, mit der er es allen zeigt. Nun, soll er noch ein bisschen länger warten, ich muss dann nicht dabei sein. Auch die Behauptung, er habe "mehr weibliche Fans als Hugh Grant und Johnny Depp" wird doch eher bezweifelt, und wenn, dann hat er diese Damen sicher nicht um den Verstand gerappt. Möglicherweise hat der Bub ja andere Talente. Der sonore Part von Reason in "Shoot First" dagegen hinterlässt einen ausgezeichneten Eindruck. Extrem gegensätzliche Stimmlagen, die sich gut ergänzen: das D-Flame-Eißfeldt-Phänomen.
Insgesamt bleibt es aber dabei: You can't tell me what I already know. Mädels haben einfach doch die dickeren Eier.
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