laut.de-Kritik
"Lass die Siedlung leuchten wie das Disney-Schloss."
Review von Dominik LippeShogoon erzählt die Geschichte eines Aufbruchs. "Ist nicht lange her, es war 'ne laue Sommernacht. Ein junger Typ, er pafft draußen gerad' sein braunes Hasch", erzählt der traditionsbewusste Rapper mit Blick durch das "Fenster Zum Hof". Bittersüß schwelgen Streicher und Orgel in einer Zeit, als er noch einen Ausweg aus der Misere suchte: "Er will seit Jahren weg. Ich glaube, bald schon haut er ab."
Für das großartige Instrumental zeichnete Grzegorz verantwortlich, der bereits die Frühphase von K.I.Z. begleitet und zuletzt tolle Arbeit mit dem Remix zu "Dünnes Eis" auf Audio88' "Schwererer Verlauf" geleistet hatte. Die Eröffnung von "Märchen" bildet eine der schönsten Arbeiten des eher unspektakulären Deutschrap-Jahrgangs. Shogoon skizziert den Auszug aus der Provinz als alternativlos. "Die Siedlung frisst dich auf, wenn sie kann - also lauf", heißt es auch in "Lauf", obwohl der positive Ausgang ungewiss ist: "Hier sind ein paar Schulden und Ängste, mein Junge. Jetzt geh' und mach' bitte das Beste draus."
Der Opener streift auch das Verschwinden seines Vaters, ein biografisches Schlüsselerlebnis, dem er auf "Schwerer Verlauf" mit Galgenhumor begegnete. "Diese Szene ist wie Family für mich, weil sie beinah' fast genauso krass zerrüttet ist. Als Kind war ich oft einsam, weil von beiden keiner heimkam", wirft er in "Vögel" erneut an der Seite von Audio88 ein Schlaglicht auf seine Wunden. Und auch das mit "Lauf" als Split-Video veröffentlichte "Nudeln Mit Nichts" hängt dem Elternhaus nach. Seine Wut verbirgt er dabei möglichst: "Laufe raus, in der Jacke mit Faust in der Tasche."
"Da war kein Mann im Haus", führt er in "Daddy Issues" aus, "Deshalb war jeder Held in meiner Kindheit eine Frau." Nachdem er Männlichkeitsbilder beleuchtet hat, die Betroffene dazu bringen, lieber in den Alkohol zu flüchten oder gleich den Freitod zu wählen, statt sich in Behandlung zu begeben, widmet er sich den gleichsam pressierenden "Mommy Issues". "Brachtest mich durch die schwerste Zeit, doch zu welchem Preis?", fragt er seine manipulative Mutter, "Ich war aus marodem Holz geschnitzt und du Gepetto." Sensible Verse, die den Hörer trotz seines ausgeglichenen Vortrags hart treffen.
Shogoon tritt durchgehend als ruhig reflektierender Erzähler auf. Ein betrübtes Grundrauschen mag zwar seine Stimme durchziehen, doch klingt er zugleich wie jemand, der auch in Notfällen die Ruhe bewahrt. Der beherrschte Auftritt eines Consigliere korrespondiert mit den Produktionen. Frei von Hektik durchziehen kurze Saxophon-Samples das aufgeräumte Instrumental von "Lauf". "Hood Morning" verströmt Genügsamkeit, während die Streicher mit der Klarheit von Morgentau spielen. Nur "Rosen & Orchideen" erlaubt sich abschließend den siegesgewissen Sound eines möglichen Happy Ends.
"Wir sind die Generation, die den Scheiß durchbrechen muss", gibt der Rapper in "Daddy Issues" als Ziel aus. Auf dem Weg zur Utopie könnte die Wahlfamilie als Problemlöser fungieren: "Danke an die Freunde seit dem Pausenhof. Familie kannst du dir nicht aussuchen? Ich glaube schon." Doch ob es wirklich einen Ausweg aus dem Kreislauf gibt, bleibt fraglich. Bereits im Albumtitel "Märchen" steckt Shogoons Befürchtung, dass seine Träume an der tristen Realität zerschellen. Zumindest Hip Hop bleibt ihm aber immer zur Verschönerung der Welt: "Lass die Siedlung leuchten wie das Disney-Schloss."
5 Kommentare mit 15 Antworten
Habs ein halbes Dutzend Mal gehört und schon fast wieder vergessen. Der kann schon rappen und "Fenster zum Hof" ist gut produziert. In der aktuellen Deutschrap Dürre erfrischend, aber insgesamt ist mir das textlich zu uninteressant beziehungsweise fand ich so Backpacker Rap darüber wie wichtig Hip Hop ist noch nie spannend.
Unterschreibe ich. Hinzuzufügen: diese komischen deutsch-rnb gesangshooks auf den zweiten letzten Songs sind schlimm. Ich dachte ja solche hooks sind mit Savas irhendwann 2008 gestorben.
Schließe mich auch an, allerdings nach deutlich weniger Durchläufen (bei denen es dann geblieben ist). Beats, Vortrag, alles so, dass ich es so richtig gut finden müsste. Natürlich besser als all der Schmutz, aber bisher ohne finale Zündung.
Also wirklich so langweilig wie es sich anhand der Zitate etc liest? Dann bin ich froh, mir die Zeit gespart zu haben, danke.
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Sehr gute, kreative Beats und die Produktion des Albums ist super, der Flow ebenso. Der textliche Inhalt lässt leider zu wünschen übrig und langweilt denn an den Stellen, an denen es deep werden könnte, bleibt es doch sehr oberflächlich und es kommt kein richtiges Feeling auf. Inhaltlich geht es meistens darum, dass er halt aus Minden kommt (jeder kommt irgendwo her, dieses ständige erwähnen der Heimat kotzt mich bei jedem Rapper an), dass er gerne weiße Nikes trägt, dass er Wein aus Tetrapacks säuft (lol) und dass er Hip hop wohl ziemlich fühlt und lebt (gähn).
Dafür, dass er sich so oft über Deutschrap lustig macht, hat er textlich auch nicht soviel mehr zu bieten als die anderen, dafür sind wie gesagt seine Produktionen echt gut !
Flow ist auch mega öde. Da war der andere Mindener schon deutlich uniquer.
Ich kenne Minden relativ gut und muss bei jedem Ortsbezug in den Lyrics an dieses Kaff denken. Das macht die halbe Scheibe aus Prinzip schon einfach nur peinlich. Dann noch ein Track names "Hood Morning" und dann Minden...
Jepp. Mein bester Kumpel wohnt seit 20 Jahren da. Kann ich unterschreiben. Provinz halt.
Da kommt doch Curse her. Nuffsaid.
Da muss man immer umsteigen, wenn man von NRW nach Hannover fährt. Doppelnuffsaid.
Wer fährt denn freiwillig nach Hannover? Das ist wie Minden und Gütersloh mit ein bisschen Möchtegerngroßstadt in einen Topf geschmissen und bisschen geschüttelt. Okay, ich war einmal freiwillig da, allerdings um Helge live zu sehen. Das dürfte legitim sein.
Oder in kurz: Hannover ist ein bisschen wie Bielefeld mit lächerlicherem Fußballverein.
Minden hingegen ist ein bisschen wie Gütersloh mit besserer Handballmannschaft.
Lustig wie ihr Bremen schreibt
Nope, sorry. Bremen bleibt Ehrenstadt und da sollte für aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger Fußball generell eine zu vernachlässigende Rolle bei der Bewertung spielen, sollte klar sein. ^
Was soll hier immer dieser lächerliche Hannover-Hass?
Hannover > Köln.
Bielefeld ist nicht schön, aber auch da. Immerhin.
OWL insgesamt Handballhochburg.
Handball > Fußball
Ein gut produziertes Alblum. Textlich dreht Shogoon sich leider nur um sich selbst und wie gemein die Welt doch zu ihm war. In ständiger Wiederholung etabliert er damit sein Brokenboyimage und die passende Marke dazu. Reflexionslevel 3 von 10. man kann nur hoffen das er sich noch weiterentwickelt. Dennoch gut produziert.