laut.de-Kritik
Das Geschwür Fitnessrap hängt schon viel zu lange am geschundenen Kopfnicker-Leib.
Review von Philipp Kopka"Brachiale Produktionen mit gehörig Durchschlagskraft bieten die perfekte Grundlage für die energische Performance von Silla, die im Deutschrap-Game anno 2015 ihresgleichen suchen. Wer einen neuen Soundtrack für Höchstleistungen im Gym sucht, der liegt bei 'VAZH' goldrichtig." Pressetexter sind wirklich nicht zu beneiden. Die unterbezahlten Damen und Herren dieser Branche müssen sich oft genug durch stundenlange musikalische Geduldsproben kämpfen, nur um dann überschwänglich Positives darüber zu berichten. Da lobe ich mir doch den Job des unterbezahlten Musikredakteurs. Der teilt zwar zunächst das selbe Schicksal, kann aber immerhin andere davor bewahren.
Denn selbst zum Soundtrack für den McFit-Besuch reicht es bei dem vor Langeweile strotzenden "Vom Alk Zum Hulk" nicht. Würde "VAZH" als Einschlafhilfe für notorisch Schlafgestörte beworben, hätte der Pressetexter einen leichteren Job.
"Mein Wochenplan besteht aus sieben Tagen Gym." Angesichts dieses abwechslungsarmen Alltags sollte es eigentlich nicht wundern, dass sich auch Sillas musikalischer Output nur noch um eins dreht: Fitness, Fitness, Fitness. Der geläuterte Whiskey-Liebhaber hat sich mit seinem intensiven Alkohol-Genuss wohl sämtliche verbleibende Gehirnzellen ausgeschossen. Wenn also die Grundlage für ein Kräftemessen auf intellektueller Ebene fehlt, muss eben der stahlharte Adonis-Körper herhalten. Ob nun das "Sixpack", der Bizeps, oder die breite Brust: Der Titel des "Mr. Olympia" ist Silla sicher.
"Ich stähle meinen Körper und ich schärfe meinen Verstand", behauptet Matthias auf "Gainz". Zumindest letzteres mag ich doch bezweifeln: Wenn mit Verstand-Schärfen das Mitzählen der Wiederholungen beim Bankdrücken gemeint ist, okay. Aber ein Buch, dessen Themen über Eiweißshake-Rezepte und Low-Carb-Diäten hinaus reicht, hat man im Hause Schulze sicher schon lange nicht mehr gesehen. Anders ist der Mangel an Inspiration bei diesem Machwerks kaum zu erklären.
In fast einer Stunde Spielzeit schafft Silla einen an Inhaltsarmut kaum zu übertreffenden Brei, bei dem es schwer fällt, einen Track vom anderen zu unterscheiden. "Ich seh wie einer dieser Marvel-Helden aus." Die Vorgehensweise des Comicverlags passt wie die Faust auf's Auge: Einfach immer den selben Film drehen, aber statt Spiderman, heißt der Held beim nächsten Mal eben Ant-Man. Egal ob sich Silla zum "G.O.D.", Killa, oder "Cardio King" tituliert: Am Ende weiß man nicht mehr welcher fehlplatzierte Wie-Vergleich zu welchem Track gehört.
Wenn Silla dann mal den Fitness-Kosmos verlässt, heult er phrasendreschend einer Ex hinterher. "Weißt du noch, ich hab gesagt, ich liebe es, dich zu hassen. Wir waren wie zwei Puzzlestücke, die nie wirklich passten", jammert der Muskelmann auf "Du Bist Echt". Echte Emotionen bleiben dabei genauso auf der Strecke wie der Spaßfaktor bei der Augenzwinker-Ode an "Arnold". Sillas Spross strebt ganz dem stolzen Vater nach: "Sechs in Mathe, dafür hast du schon unfassbar große Arme." Wieso auch nicht? Der Papa schafft ja offenbar auch, ohne jegliche geistige Ertüchtigung, den Lebensunterhalt ran. "Tu mal irgendwas, du machst gerade nichts, doch die Sachlage ist, du hast Abgabefrist." Die herannahende "Deadline" ließ Silla wohl keinen anderen Ausweg, als derartige Lückenfüller auf die Platte zu packen.
Die Produktionen passen sich nahtlos an die textliche Qualität von "VAZH" an. Pathos-schwangere Piano-Samples geben sich mit gehetzten Kirchenchören die Klinke in die Hand. Den Vogel schießt aber der Titeltrack ab, dessen unerträglicher Plastik-Beat klingt, als habe man Faithless' Neunziger-Hymne "Insomnia" einmal durch den Fruity Loops-Fleischwolf gedreht. Gepaart mit Sillas pseudo-aggressivem Vortrag, der jedweder Flowvariation entbehrt, eine ungute Mixtur.
"Schweiß ist Schwäche, die den Körper verlässt". Schweiß sollte in Zukunft auch das einzige bleiben, was den Weg aus Sillas Körper findet. Greift der Berliner nämlich zum Mikrofon und entlässt Reime aus dem Vakuum zwischen seinen Ohren, kommt dabei ein unerträgliches Bellen über Massephasen und Bizepsumfang heraus, das wirklich niemandem zuzumuten ist.
Das pulsierende Geschwür Fitnessrap hängt nun schon viel zu lange am geschundenen Kopfnicker-Leib. Da kann man schon fast dankbar sein, dass Kollegen wie Silla, Majoe und Co. selbst den Chirurgen spielen und den Auswuchs, der mit Kollegah seinen Anfang nahm, mit präzisen Skalpellschnitten à la "VAZH" eigenhändig entfernen. Wenn selbst ein Fler die Zeichen der Zeit erkennt und Silla mit Freudensprüngen aus seinem Maskulin-Vertrag kaufen lässt, sind die Tage dieses Phänomens wohl endgültig gezählt.
19 Kommentare mit 104 Antworten
"'Schweiß ist Schwäche, die den Körper verlässt'. Schweiß sollte in Zukunft auch das einzige bleiben, was den Weg aus Sillas Körper findet. Greift der Berliner nämlich zum Mikrofon und entlässt Reime aus dem Vakuum zwischen seinen Ohren, kommt dabei ein unerträgliches Bellen über Massephasen und Bizepsumfang heraus, das wirklich niemandem zuzumuten ist."
Props dafür!
Ob Alk oder Hulk - Silla ist echt einer der größten Lappen im Game. Da kommt momentan höchstens noch Majoran ran.
"Arnold" fand ich echt okay!
Habe Silla auch irgendwie liebgewonnen...gut, musikalisch nicht so mein Fall (kann ich mir aber noch eher geben als Fler), aber so als Person schon ganz sympathisch.
Diese Hauptsache-Breit-Attitüde kann böse enden:
"In Münzers Leber befanden sich tischtennisballgroße Tumoren, wie sie von anderen Anabolikamissbrauchsfällen bekannt sind, während die andere Hälfte der Leber nur noch aus einer bröseligen Masse, ähnlich Polystyrolschaum (Styropor), bestand.
Es wurde eine akute Vergiftung festgestellt, die möglicherweise auf ein Aufputschmittel zurückzuführen war.
Münzers Elektrolythaushalt war völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Er war total dehydriert. Sein Blut war viskos (zähflüssig) und zirkulierte deshalb nur langsam.
Sein Körper wies einen extrem hohen Kaliumgehalt auf.
Sein Herz war doppelt so schwer und groß wie das eines normalen Menschen (Herzhypertrophie).
Sehr große, geschwollene Nieren.
Auf Haselnussgröße geschrumpfte Hoden (Hodenatrophie), dazu eine walnussgroße Zystenbildung rechts."
Aja komm Muntzer hat so ziemlich alles gefressen was es an legalen und illegalen Substanzen gab, der kann wohl kaum stellvertretend für alle Bodybuilder gelten. Und Silla sieht noch nichtmal wirklich übertrieben hart oder massiv aus, durchaus noch natural machbar.
Für manche Rapper sind Haselnussgroße Hoden doch eher eine Steigerung oder?
ach silla.. ich bin dein jahrgang (84), komme aus deiner sogenannten Hood (Südberlin) und hör dich seit deinen ersten Schritten. Ich hielt dich immer für "übertalantiert", deine Stimme, der Flow, die deep-angehauchten-Texte, mit Straßen-Attitüde, das hatte was. Nun habe ich VAZH mehrmals durchgehört. Ja, 2 /5 , dem würde ich zustimmen. Rap ist heutzutage ein Großteil Marketing. Und der gute Matthias hat sich da wohl etwas zu viel zugetraut: In Interviews hat er gesagt, dass Album sei in einem Monat recordet worden - ja, das hört man auch. Vermutllich wurden in diesem Monat auch die Texte geschrieben. Mal ehrlich; Wenn man sich als Vollzeit-Rapper (!!!) schon diesem augelutschten Fitness-Thema widmet, fällt einem dann echt nicht mehr ein als solche belanglose Phrasen??!? Das is schon echt schlecht. "Sillainstinstink" zeigt eigentlich, dass er es besser kann. Vermutlich hat es sich zu sehr von Fler insiprieren lassen. Aber Fler ist nen anderen Typ. Der versteht was von seinem Rap-Marketing-Handwerk, Silla (noch) nicht
Scheiss auf Silla. Das ist Fitness Rap: https://youtu.be/gU8-0vmECaQ
Spannender als Sillas Musik: was er sich hier für Klamotten aus der Nase holt. https://youtu.be/a5PeCx2iYoU